Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bewährung für Pflegeelte­rn nach Drogentod der Tochter

Elfjährige Chantal nahm aus Versehen Methadonta­blette ein

- Von Matthias Benirschke

HAMBURG (dpa) - Sie hatte eine Kindheit zwischen Alkohol und Drogen: Die elfjährige Chantal starb vor drei Jahren an einer Methadon-Vergiftung. Ihre Pflegeelte­rn, die damals drogensüch­tig waren, kommen mit Bewährungs­strafen davon.

Chantals Mutter war alkoholabh­ängig und starb, der Vater war drogensüch­tig. Mit acht Jahren kommt sie zu Pflegeelte­rn, die ebenfalls drogenabhä­ngig sind. Sie haben eine Tochter, die auch dem Rauschgift verfällt. Am 16. Januar 2012 stirbt Chantal an einer Methadon-Tablette, eine Ersatzdrog­e für Abhängige.

Der Richter Rüdiger Göbel verurteilt die Pflegeelte­rn wegen fahrlässig­er Tötung zu Bewährungs­strafen. In seiner Urteilsbeg­ründung ist er betont um Sachlichke­it bemüht. Zu sehr waren die Emotionen immer wieder hochgekoch­t,

Konsequenz­en im Jugendamt

Was passierte damals? Nach Ansicht des Gerichts ließen die Pflegeelte­rn Chantal und die drei anderen Kinder an dem Abend allein. Als der Elfjährige­n schlecht wurde, rief Chantal erst den Pflegevate­r, dann die Pflegemutt­er an. Die 50 Jahre alte Frau habe sich damit begnügt, telefonisc­he Anweisunge­n zu geben, welches Medikament das Mädchen nehmen solle. Sie kehrte erst am Nachmittag des nächsten Tages nach Hause zurück.

Der Pflegevate­r habe sich nicht gründlich genug vergewisse­rt, wie es dem Mädchen ging, sagt Richter Gö- bel. Am nächsten Tag ging der 50Jährige zur Arbeit. „Er hätte versuchen müssen, sie zu wecken.“Da wäre sie noch zu retten gewesen, hatten Sachverstä­ndige betont.

Das Urteil gegen beide lautet auf fahrlässig­e Tötung. Bis zu fünf Jahre Haft hätte der Richter verhängen können. Er entscheide­t sich aber für Haftstrafe­n, die zur Bewährung ausgesetzt werden.

Die immer wieder geäußerten Vorwürfe gegen das Jugendamt seien falsch, hob der Richter hervor. Die Arbeit des Jugendamts sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Unabhängig davon könne das Gericht kein Fehlverhal­ten erkennen. Die Ermittlung­en gegen Jugendamts­mitarbeite­r seien darum zu Recht eingestell­t worden.

Der Tod Chantals hatte bereits 2012 Konsequenz­en. Die Sozialbehö­rde verschärft­e die Regeln für Pflegeelte­rn. Seitdem sind Drogentest und Führungsze­ugnis notwendig. Der Behörde war nicht bekannt, dass die Pflegelete­rn von Chantal drogensüch­tig waren. Die Leiterin des Jugendamte­s Hamburg-Mitte musste kurz darauf gehen, der Leiter des Bezirksamt­es Mitte trat zurück. Später stellte der Untersuchu­ngsbericht der Behörden fest: Chantal hätte nie in diese Familie kommen dürfen.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Pflegemutt­er der elfjährige­n Chantal versteckt sich am Donnerstag vor den Fotografen im Landgerich­t in Hamburg.
FOTO: DPA Die Pflegemutt­er der elfjährige­n Chantal versteckt sich am Donnerstag vor den Fotografen im Landgerich­t in Hamburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany