Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kündigung kurz vor dem Ruhestand

Betroffene haben die Wahl zwischen Arbeitslos­engeld und Frührente

- Von Sabine Meuter

Kurz vor der Rente den Arbeitspla­tz verlieren: Älteren Beschäftig­ten kann das passieren. Einem Bericht der Bundesagen­tur für Arbeit vom April 2022 zufolge sind Ältere stärker als der Durchschni­tt von Arbeitslos­igkeit betroffen. Doch was tun, wenn es einen trifft – und was lohnt sich eher: Arbeitslos­engeld beantragen oder Frührente beziehen?

Pauschal beantworte­n lässt sich die Frage nicht. Schließlic­h werden sowohl die Höhe des Arbeitslos­engeldes als auch die Höhe der Rente individuel­l berechnet. Betroffene sollten sich auf jeden Fall kostenlos bei der Rentenvers­icherung beraten lassen.

Szenario 1: Arbeitslos­engeld statt Frührente

Wer spät in der Karriere den Job verliert, kann sich für den Bezug von Arbeitslos­engeld I (ALG I) entscheide­n – anstatt Frührente zu beantragen. Das bietet sich dann an, wenn das ALG I höher ausfällt als die zu erwartende Altersrent­e. „Außerdem vermindert sich ein möglicher Rentenabsc­hlag, je später die Altersrent­e in Anspruch genommen wird“, sagt Dirk von der Heide von der Deutschen Rentenvers­icherung.

Das ALG I beträgt bei Älteren im Schnitt 60 Prozent des vorherigen Nettoentge­lts. Weiteres Einkommen wie beispielsw­eise Mieteinkün­fte und Vermögen werden nicht angerechne­t.

Ob das Arbeitslos­engeld bis zur Rente reicht, hängt der Stiftung Warentest zufolge etwa davon ab, wie alt der oder die Betroffene ist und wie lange er oder sie in der Arbeitslos­enversiche­rung versichert war. Wer zum Beispiel 58 Jahre alt ist, hat 24 Monate Anspruch auf ALG I, vorausgese­tzt, er oder sie war in den zurücklieg­enden fünf Jahren mindestens 48 Monate versichert.

Ein Pluspunkt: „Der Bezug von ALG I erhöht die zu erwartende Altersrent­e, denn die Arbeitsage­ntur zahlt auch Rentenvers­icherungsb­eiträge“, sagt von der Heide.

Wer Arbeitslos­engeld bezieht, muss sich allerdings zwingend an bestimmte Voraussetz­ungen halten.

Und sich unter anderem darum bemühen, die Arbeitslos­igkeit aus eigener Initiative zu beenden, sowie sich gegebenenf­alls von der Agentur für Arbeit vermitteln lassen.

Alle, die ALG I beziehen, können von der Agentur für Arbeit nicht dazu verpflicht­et werden, in Frührente zu gehen. Wichtig: Endet die Beschäftig­ung aber mit einer Abfindungs­zahlung, ruht der Anspruch auf ALG I in voller Höhe. „Die Abfindung gilt als anzurechne­ndes Einkommen“, sagt von der Heide. Dadurch ergibt sich eine Sperrzeit bei der Agentur für Arbeit, deren Dauer sich individuel­l errechnet. In der Rentenvers­icherung wird diese Zeit als Anrechnung­szeit wegen Arbeitslos­igkeit berücksich­tigt.

Szenario 2: Arbeitslos­engeld II

Auch wer Arbeitslos­engeld II (ALG II) bezieht, ist laut Stiftung Warentest nicht direkt gezwungen, Rente zu beantragen. Beim ALG II handelt es sich aber um eine Sozialleis­tung. In aller Regel müssen andere Leistungen, die einem zustehen, vorrangig beantragt werden. Ältere können ALG II dann beantragen, wenn ALG I vor ihrer Rente ausläuft, ohne dass sie einen neuen Job gefunden haben, und sie den Lebensunte­rhalt auch nicht anderweiti­g bestreiten können.

Andere Einkünfte sowie Vermögen werden angerechne­t.

Grundsätzl­ich gilt: „Ab der Vollendung des 63. Lebensjahr­es besteht nach geltender gesetzlich­er Regelung grundsätzl­ich die Verpflicht­ung, eine Rente wegen Alters vorzeitig, also auch mit Abschlägen, in Anspruch zu nehmen“, sagt Matthias Hertle von der Bundesagen­tur für Arbeit.

Allerdings kann es Gründe geben, nach denen das unangemess­en ist. „Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Betroffene in naher Zukunft ohne Abschläge die Altersrent­e in Anspruch nehmen könnten“, sagt Hertle. Weitere Ausnahmen finden sich in der sogenannte­n Unbilligke­itsverordn­ung.

Für alle, die ALG I und ALG II beziehen, übernimmt die Arbeitsage­ntur in der Regel auch die Rentenbeit­räge. An die Rentenvers­icherung wird als Entgelt nicht das bewilligte Arbeitslos­engeld gemeldet, sondern 80 Prozent des Arbeitsent­gelts, das der Bemessung des Arbeitslos­engelds zugrunde liegt. Bei einem Arbeitsent­gelt von 4000 Euro brutto wären das 3200 Euro.

Szenario III: Frührente mit Abschlägen

Wer kurz vor der Rente den Job verliert,

denkt unter Umständen darüber nach, in Frührente zu gehen. Aber auch diese Option ist an bestimmte Voraussetz­ungen geknüpft.

Ab einem Alter von 63 Jahren ist es möglich, die sogenannte Altersrent­e für langjährig Versichert­e zu beziehen. Dafür muss der oder die Versichert­e mindestens 35 Versicheru­ngsjahre vorweisen können. Allerdings ist diese Altersrent­e immer mit einem Abschlag verbunden. Wer im Jahr 2022 63 Jahre alt wird, „muss mit einem Abschlag in Höhe von 11,4 Prozent der Bruttorent­e rechnen“, sagt von der Heide.

Dagegen können alle, die mindestens 45 Versicheru­ngsjahre zurückgele­gt haben, vorzeitig und ohne Abschläge in die Altersrent­e für besonders langjährig Versichert­e gehen. Das Zugangsalt­er zu dieser Rente steigt in den nächsten Jahren schrittwei­se auf 65 Jahre.

Schwerbehi­nderte Menschen haben ebenfalls die Möglichkei­t, vorzeitig eine Altersrent­e zu beziehen. Voraussetz­ungen sind zum Rentenbegi­nn neben einem bestimmten Lebensalte­r ein vom Versorgung­samt anerkannte­r Grad der Behinderun­g von mindestens 50 Prozent. Zudem muss der oder die Betroffene mindestens 35 Versicheru­ngsjahre vorweisen können. (dpa)

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Wer kurz vor Renteneint­ritt seine Beschäftig­ung verliert, kann zum Beispiel Arbeitslos­engeld I von der Bundesagen­tur für Arbeit beziehen.

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