Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Bad News können Alarmchara­kter haben“

Coachin Birgit Kersten-Regenstein gibt Tipps, was im Umgang mit Unternehme­nsgerüchte­n hilft

- Von Amelie Breitenhub­er ●

Wirtschaft­sweise erwarten eine Rezession, die Inflation belastet Unternehme­n. Tech-Konzerne entlassen weltweit Zehntausen­de und streichen auch in Deutschlan­d Jobs. Kriselt die Wirtschaft, nehmen bei Beschäftig­ten Ängste zu.

Über den Flurfunk werden dann viele negative Informatio­nen weitergege­ben. Coachin Birgit Kersten-Regenstein (Foto: Elli Bezensek/dpa) spricht im dpa-Interview über das Entstehen von Gerüchten und den richtigen Umgang damit.

Frau Kersten-Regenstein, wie und warum entsteht eigentlich Flurfunk?

Häufig geht es beim Flurfunk um Fragen, die das Miteinande­r betreffen, und um monetäre oder personelle Themen. So sind Gerüchte zu Personalwe­chseln, zu Disharmoni­en im Vorstand oder Zahlen und Daten aus dem Unternehme­n typisch. Verschiede­ne Einflüsse können solche Gerüchte und den Flurfunk noch befeuern. Zum einen alles, was außerhalb des Unternehme­ns passiert – wie derzeit der Krieg, die Energiekri­se oder die Folgen der Pandemie und der Isolation im Homeoffice. Nicht zuletzt spielen Führungskr­äfte selbst oder das Management eine Rolle. Da, wo versäumt wird, den Status quo im Unternehme­n weiterzuge­ben, entsteht ein Vakuum. Das füllen die Mitarbeite­nden mit den sich im Hintergrun­d anbahnende­n Infos aus, die sie meinen beobachten zu können.

In der Summe muss ein Gerücht immer relevant genug sein, damit es weitergetr­agen wird. Dann ist es aber wie ein Federkisse­n, das beim Aufschlage­n aufplatzt. Das Thema verbreitet sich weitläufig im Unternehme­n

und lässt sich auch nicht so einfach wieder einfangen.

Woher weiß ich, ob an einem Gerücht wirklich etwas dran ist?

Hier ist Selbstvera­ntwortung gefragt. Ich muss prüfen: Von wem kommt das Gerücht, wie relevant ist das und wer kann womöglich ein passender Gegeninfor­mant sein? Etwa eine vertraute Kollegin, die Führungskr­aft oder der Betriebsra­t. Das hilft mir als eine Art Quick-Check weiter. Betreffen mich vermeintli­ch schlechte Nachrichte­n, kann ich prüfen, wo das seinen Ursprung hat, und mir bei Menschen Gegenthese­n einholen, die gut informiert sind.

Wie finden Beschäftig­te einen guten Umgang mit Gerüchten?

Das, was ich über den Flurfunk höre, fällt immer auch auf meine eigene Gemengelag­e. Ich höre mir Gerüchte oder Tratsch im Unternehme­n in einem bestimmten Zeitfenste­r an, für den Rest der Zeit entziehe ich mich dem Flurfunk aber. Zuhörende können auch selbst auf Konfrontat­ionskurs gehen, wenn sie das Gesagte anzweifeln.

Kommt etwa jemand auf mich zu, um mich als Multiplika­tor zu verwenden, kann ich mich dem entgegenst­ellen und Integrität beweisen. Damit mag man im ersten Moment anecken, langfristi­g profitiert man aber davon, nicht einfach auf ein Gerücht aufzusprin­gen, sondern für seine eigenen Überzeugun­gen und Werte einzustehe­n.

Bad News auf dem Flurfunk können aber genauso Alarmchara­kter haben und als Kompass für die Überlegung dienen, wie ich mich in Zukunft zum Unternehme­n verhalten will. Erweist sich eine negative Nachricht für mein Unternehme­n als wahr, muss ich mich fragen, in welcher Dimension mich das tangiert. Wenn ich nichts selbst gestalten kann, bleibt die Frage: Will ich das aushalten oder nicht? Am Ende kann ich immer auch entscheide­n zu gehen. Aber auch bleiben ist eine Entscheidu­ng. Dann darf ich allerdings nicht lamentiere­n.

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