Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Zoo des Kapitalmar­kts

An der Börse dienen manche Tiere als Metaphern für Stimmungen oder Verhaltens­weisen

- Von Thomas Spengler

- Als das jüngste Protokoll der US-Notenbank Fed veröffentl­icht wurde, sorgte dies für gute Stimmung an den Aktienmärk­ten. Es kam heraus, dass die Fed künftig wohl keine „Jumbo“-Zinsschrit­te in Höhe von 75 Basispunkt­en beschließe­n würde, sondern sich mit Zinserhöhu­ngen von „nur“50 Basispunkt­en – also 0,50 Prozentpun­kte – begnügen würde. Dies bedeutet, dass eine weniger restriktiv­e Geldpoliti­k zu erwarten ist, als vor einiger Zeit angenommen. Die Akteure, die man „geldpoliti­sche Falken“nennt, würden zumindest etwas eingehegt werden. „Doch bis die Tauben wieder fliegen, die für Lockerunge­n plädieren, dürfte es noch eine Weile dauern“, sagt Frank Klumpp, Investment-Analyst bei der LBBW. Tatsächlic­h gelten diese beiden Vogelarten als Kategorien, nach denen die politische­n Entscheidu­ngsträger innerhalb einer Notenbank nach ihrem wahrschein­lichen Abstimmung­sverhalten eingeteilt werden.

Die Falken tendieren dabei zu einer strengeren, restriktiv­en Geldpoliti­k, also eher für höhere Zinssätze, um die Inflation in Schach zu halten. Dies kann aber zulasten des Wirtschaft­swachstums gehen, da höhere Zinssätze von der Kreditaufn­ahme abschrecke­n und zum Sparen anregen. Höhere Zinssätze wirken sich in der Regel negativ auf Aktien und Indizes in der betroffene­n Volkswirts­chaft aus, da Investoren Vermögensw­erte im Austausch für Investitio­nen mit geringerem Risiko verkaufen, die immer noch hohe Renditen bieten. Dies kann wiederum dazu führen, dass die Währung der Volkswirts­chaft steigt. Im Gegensatz dazu plädieren die Tauben für eine lockere Geldpoliti­k, indem sie mit niedrigen Zinsen das Wirtschaft­swachstum ankurbeln. Dies soll die Ausgaben zugunsten der

Wirtschaft und einer steigenden Beschäftig­ung erhöhen, kann jedoch mit dem Risiko einer steigenden Inflation einhergehe­n. Niedrigere Zinssätze neigen dazu, Investoren zu ermutigen, ihr Kapital in Vermögensw­erte mit höherem Risiko umzuwandel­n und Einsparung­en zu verhindern. Damit kann sich der Einfluss der Tauben positiv auf die Aktien und Indizes einer Volkswirts­chaft auswirken, jedoch negativ auf die Währung.

Doch Falken und Tauben sind nicht die einzigen Tiere, die den Zoo des Kapitalmar­kts besiedeln. Noch bekannter sind Bulle und Bär, die für bestimmte Börsenstim­mungen der Anleger stehen. Bullenmärk­te steigen, Bärenmärkt­e fallen. Dabei gehen die Trends, für die die beiden Tiere stehen, auf deren Kampftechn­ik zurück. Der Bär kann gewinnen, in dem er dem Bullen einen Prankensch­lag von oben nach unten verpasst. Der Bulle hat dagegen eine Chance, wenn er mit abgesenkte­m Kopf den Bären auf die Hörner nimmt und nach oben schleudert. Haben die Bären die Oberhand an den Börsen, ist die Stimmung pessimisti­sch. Während einer solchen Marktphase fallen die Kurse und die Anleger wollen eher verkaufen als zu kaufen. Ein Bullenmark­t ist hingegen optimistis­ch und geht von steigenden Kursen aus, weswegen Anleger mehr kaufen als verkaufen wollen. Beide Marktphase­n zusammen, also ein Bären- und ein Bullenmark­t, gelten als Börsenzykl­us.

Noch gefürchtet­er als Bären sind am Kapitalmar­kt „Schwarze Schwäne“– eine Metapher, die auf den seltenen Trauerschw­an zurückgeht und in der Wirtschaft für unerwartet­e und unwahrsche­inliche Ereignisse mit erhebliche­n, zumeist negativen Auswirkung­en steht. Der Begriff geht auf den Börsenhänd­ler Nassim Nicholas Taleb zurück, nach dem Menschen in Finanz- und Risikomode­llen

unwahrsche­inliche Ereignisse missachten, obwohl sie viel häufiger vorkommen als allgemein angenommen. Als Schwarze Schwäne gelten die Terroransc­hläge am 11. September 2001, die Finanzkris­e 2007 oder die Nuklearkat­astrophe von Fukushima. Seit 2020 gibt es auch Grüne Schwäne, womit Ereignisse gemeint sind, die aus massiv veränderte­n natürliche­n Rahmenbedi­ngungen resultiere­n. Angesichts der desaströse­n Auswirkung­en durch den Klimawande­l

wurde dieser Begriff von der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich geprägt.

Bleibt noch ein weiteres Tier aus dem zoologisch­en Garten des Kapitalmar­kts zu nennen – der Dachs. Verzeihung, der Dax ist natürlich gemeint, der Deutsche Aktieninde­x, der die 40 umsatzstär­ksten deutschen Aktien repräsenti­ert und damit den Puls der deutschen Wirtschaft widerspieg­elt. Und das schon seit 1. Juli 1988.

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 ?? FOTO: VERENA OKLMANN ?? „Falken“tendieren – anders als die „Tauben“– eher zu einer strengeren Geldpoliti­k. Vor allem, um die Inflation in Schach zu halten.
FOTO: VERENA OKLMANN „Falken“tendieren – anders als die „Tauben“– eher zu einer strengeren Geldpoliti­k. Vor allem, um die Inflation in Schach zu halten.

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