Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Zoo des Kapitalmarkts
An der Börse dienen manche Tiere als Metaphern für Stimmungen oder Verhaltensweisen
- Als das jüngste Protokoll der US-Notenbank Fed veröffentlicht wurde, sorgte dies für gute Stimmung an den Aktienmärkten. Es kam heraus, dass die Fed künftig wohl keine „Jumbo“-Zinsschritte in Höhe von 75 Basispunkten beschließen würde, sondern sich mit Zinserhöhungen von „nur“50 Basispunkten – also 0,50 Prozentpunkte – begnügen würde. Dies bedeutet, dass eine weniger restriktive Geldpolitik zu erwarten ist, als vor einiger Zeit angenommen. Die Akteure, die man „geldpolitische Falken“nennt, würden zumindest etwas eingehegt werden. „Doch bis die Tauben wieder fliegen, die für Lockerungen plädieren, dürfte es noch eine Weile dauern“, sagt Frank Klumpp, Investment-Analyst bei der LBBW. Tatsächlich gelten diese beiden Vogelarten als Kategorien, nach denen die politischen Entscheidungsträger innerhalb einer Notenbank nach ihrem wahrscheinlichen Abstimmungsverhalten eingeteilt werden.
Die Falken tendieren dabei zu einer strengeren, restriktiven Geldpolitik, also eher für höhere Zinssätze, um die Inflation in Schach zu halten. Dies kann aber zulasten des Wirtschaftswachstums gehen, da höhere Zinssätze von der Kreditaufnahme abschrecken und zum Sparen anregen. Höhere Zinssätze wirken sich in der Regel negativ auf Aktien und Indizes in der betroffenen Volkswirtschaft aus, da Investoren Vermögenswerte im Austausch für Investitionen mit geringerem Risiko verkaufen, die immer noch hohe Renditen bieten. Dies kann wiederum dazu führen, dass die Währung der Volkswirtschaft steigt. Im Gegensatz dazu plädieren die Tauben für eine lockere Geldpolitik, indem sie mit niedrigen Zinsen das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Dies soll die Ausgaben zugunsten der
Wirtschaft und einer steigenden Beschäftigung erhöhen, kann jedoch mit dem Risiko einer steigenden Inflation einhergehen. Niedrigere Zinssätze neigen dazu, Investoren zu ermutigen, ihr Kapital in Vermögenswerte mit höherem Risiko umzuwandeln und Einsparungen zu verhindern. Damit kann sich der Einfluss der Tauben positiv auf die Aktien und Indizes einer Volkswirtschaft auswirken, jedoch negativ auf die Währung.
Doch Falken und Tauben sind nicht die einzigen Tiere, die den Zoo des Kapitalmarkts besiedeln. Noch bekannter sind Bulle und Bär, die für bestimmte Börsenstimmungen der Anleger stehen. Bullenmärkte steigen, Bärenmärkte fallen. Dabei gehen die Trends, für die die beiden Tiere stehen, auf deren Kampftechnik zurück. Der Bär kann gewinnen, in dem er dem Bullen einen Prankenschlag von oben nach unten verpasst. Der Bulle hat dagegen eine Chance, wenn er mit abgesenktem Kopf den Bären auf die Hörner nimmt und nach oben schleudert. Haben die Bären die Oberhand an den Börsen, ist die Stimmung pessimistisch. Während einer solchen Marktphase fallen die Kurse und die Anleger wollen eher verkaufen als zu kaufen. Ein Bullenmarkt ist hingegen optimistisch und geht von steigenden Kursen aus, weswegen Anleger mehr kaufen als verkaufen wollen. Beide Marktphasen zusammen, also ein Bären- und ein Bullenmarkt, gelten als Börsenzyklus.
Noch gefürchteter als Bären sind am Kapitalmarkt „Schwarze Schwäne“– eine Metapher, die auf den seltenen Trauerschwan zurückgeht und in der Wirtschaft für unerwartete und unwahrscheinliche Ereignisse mit erheblichen, zumeist negativen Auswirkungen steht. Der Begriff geht auf den Börsenhändler Nassim Nicholas Taleb zurück, nach dem Menschen in Finanz- und Risikomodellen
unwahrscheinliche Ereignisse missachten, obwohl sie viel häufiger vorkommen als allgemein angenommen. Als Schwarze Schwäne gelten die Terroranschläge am 11. September 2001, die Finanzkrise 2007 oder die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Seit 2020 gibt es auch Grüne Schwäne, womit Ereignisse gemeint sind, die aus massiv veränderten natürlichen Rahmenbedingungen resultieren. Angesichts der desaströsen Auswirkungen durch den Klimawandel
wurde dieser Begriff von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich geprägt.
Bleibt noch ein weiteres Tier aus dem zoologischen Garten des Kapitalmarkts zu nennen – der Dachs. Verzeihung, der Dax ist natürlich gemeint, der Deutsche Aktienindex, der die 40 umsatzstärksten deutschen Aktien repräsentiert und damit den Puls der deutschen Wirtschaft widerspiegelt. Und das schon seit 1. Juli 1988.