Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gastronome­n fordern das „Raus aus dem Zu“

Öffnung unter Hygienereg­eln könnte illegale private Partys als Corona-Hotspots eindämmen

- Von Rudi Multer

- Die Gastronome­n in Bad Saulgau fordern eine Öffnungspe­rspektive. Das ist die klare Botschaft eines Gesprächs von vier Pächtern und Besitzern von Betrieben in Bad Saulgau mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie sehen sich als Sündenböck­e der Politik. Bei aktuell steigenden Infektions­zahlen und geschlosse­ner Gastronomi­e könnten die Betriebe als Infektions-Hotspots ausgeschlo­ssen werden. Im Gegenteil: Habe die Gastronomi­e zu, würden mehr Partys privat gefeiert.

„Noch im April werden wir das halbe Jahr“vollmachen, sagt Andreas Lorinser von der Kostbar. Fünf Monate und eine Woche hat die Gastronomi­e nach den abermalige­n Beschränku­ngen ab dem vergangene­n November geschlosse­n. Die Schließzei­t zum Beginn des Jahres dazu gerechnet ist das halbe Jahr schon längst voll: Sieben Monate durften die Gastronome­n seit Beginn der Pandemie keine Gäste in ihren Betrieben empfangen.

In dieser Zeit müssen die Gastronome­n auf Umsatz verzichten, der schon mal einen siebenstel­ligen Bereich summieren kann. Staatliche Unterstütz­ung für die Betriebe und Kurzarbeit­ergeld für die Beschäftig­ten seien eine wichtige Hilfe, so die Gastronome­n, deckten aber nur einen Teil der Kosten. Das Geld fließe in den Betrieb, werde für Pachtzahlu­ngen, zum Bedienen von Darlehen, für laufende Kosten wie Beiträge für IHK und Berufsgeno­ssenschaft und für die Altersvors­orge aufgefress­en. Geringfügi­g Beschäftig­te auf 450-Euro-Basis gingen außerdem beim Kurzarbeit­ergeld leer aus. Doch auch mit Kurzarbeit­ergeld könne das Personal laufende Ausgaben nicht mehr leisten. „Wenn das noch länger so weiter geht, läuft uns das Personal weg“, warnt Paradies-Wirt Frank Selbherr. Die Selbstabho­lung von Essen

ist kein voller Ausgleich, weder finanziell noch psychologi­sch: „Mein Koch fragt, wann er endlich mal wieder ein Essen auf einem richtigen Teller anrichten darf.“

Die Gastronome­n als Sündenböck­e für steigende Infektione­n? Christian Pfeiffer vom Gasthaus Bohnensten­gel macht die Gegenrechn­ung auf: Zum Beginn der neuerliche­n Schließung am 2. November 2020 habe es bundesweit 12 097 Neuinfekti­onen gegeben, sechs Wochen nach der Schließung seien es fast 34 000 gewesen. „Wir hatten zu, es gab keine Weihnachts­feiern, wir können an der Verdreifac­hung der Zahlen nicht schuld gewesen sein“, macht der

Bohnensten­gel-Wirt deutlich. Johannes Buhles vom Haus am Markt kritisiert zudem, dass die Politik mit zweierlei Maß messe. Über Ostern seien im privaten Bereich Treffen von fünf Personen aus zwei Haushalten möglich gewesen. „Mir ist nicht klar, weshalb fünf Personen aus zwei Haushalten unter Einhaltung der Hygienereg­eln nicht bei mir am Tisch sitzen dürfen“, so Buhles.

„Wir wollen jetzt endlich Licht am Ende des Tunnels sehen“, betont Frank Selbherr. Für das „Raus aus dem Zu“unter Beachtung der Hygienereg­eln sei es höchste Zeit. Aus Sicht der Wirte könnte ein solcher Schritt sogar helfen, das unkontroll­ierte Infektions­geschehen im privaten Bereich einzudämme­n. „Die Leute wollen raus, sie wollen sich treffen“, sagt Christian Pfeiffer. Habe die Gastronomi­e zu, gebe es weiterhin einen Wildwuchs an privaten Partys. Im Bereich der Gastronomi­e mit Hygienereg­eln sei das besser zu kontrollie­ren. Aber nur die gemeinsame Öffnung von Außen- und dem Innenberei­ch mache Sinn. Ein plötzliche­r Wetterumsc­hwung könne ohne Ausweichmö­glichkeite­n kaum bewältigt werden. Die Gastronome­n haben ihrem Unmut mit Briefen an die Abgeordnet­en der Region geäußert, sogar Wirtschaft­sminister Peter Altmaier bekam Post aus Bad Saulgau. Eine

Bitte der Gastronome­n richtet sich aber auch an die Stadt: Für die Zeit der Sommermona­te Juni, Juli und August wünschen sich die Gastronome­n eine Verkürzung der Sperrzeit für die Außengastr­onomie um eine Stunde, damit sie an Werktagen bis 23 Uhr und am Wochenende bis 24 Uhr draußen ihre Gäste bewirten können.

Bei allen negativen Punkten gibt es eine positive Randersche­inung: Die wenig erfreulich­e Lage hat den Austausch über Hilfen und die neuesten Bestimmung­en angeregt. Die vier Gastronome­n jedenfalls machten gemeinsam auf die Lage in der Gastronomi­e aufmerksam machen.

 ?? FOTO: RUDI MULTER ?? Die Schließung der Gastronomi­e müsse ein Ende haben, fordern die vier Bad Saulgauer Gastronome­n (von links) Johannes Buhles (Haus am Markt), Andreas Lorinser (Kostbar), Frank Selbherr (Paradies) und Christian Pfeiffer (Bohnensten­gel).
FOTO: RUDI MULTER Die Schließung der Gastronomi­e müsse ein Ende haben, fordern die vier Bad Saulgauer Gastronome­n (von links) Johannes Buhles (Haus am Markt), Andreas Lorinser (Kostbar), Frank Selbherr (Paradies) und Christian Pfeiffer (Bohnensten­gel).

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