Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kampf ums Überleben gehört zum Alltag
Hilfsaktion in Kamerun: Corona und Cholera haben die Menschen im Griff
- Gemeinsam mit Patience Mollè Lobè aus Kamerun hat die Bad Saulgauerin Dr. Reginamaria Eder vor mehr als 20 Jahren begonnen, sich in dem afrikanischen Staat um Mädchen, die verstoßen oder zur Überlebensprostitution gezwungen waren, zu kümmern. Spendengelder der SZ-Aktion „Helfen bringt Freude“tragen dazu bei, Mädchen nicht nur eine Berufsausbildung, sondern auch eine Zukunft zu geben. In ihrem Jahresbrief an ihre Unterstützer berichtet Reginamaria Eder über Kamerun, wo den Menschen nicht nur Corona, sondern auch Cholera zu schaffen macht.
Als Patience Mollè Lobè wegen der Pandemie einen längeren Aufenthalt in Kamerun hatte, gab das den Projekten, die von der Stiftung in Kamerun unterstützt werden, unerwartet die Möglichkeit zu einem kleinen Sprung nach vorne. Ein Gelände, das den Projekten zur Verfügung steht, war zu sumpfig und lag daher Jahre brach. Patience vollbrachte ein kleines Wunder, als sie den Bauplatz entwässerte und trocken legte.
So konnte begonnen werden, solide für die Zukunft zu bauen. Die Schneiderschule und eines der Sozialzentren zogen vor ein paar Wochen dorthin um – auf ein Gelände, das vor wenigen Jahren noch auf dem Land lag. Inzwischen ist dort ein Armenviertel der Stadt entstanden, in dem vor allem Flüchtlinge aus Kriegsgebieten Unterschlupf finden. Die Mädchen sind begierig zu lernen, denn sie wollen für sich eine Zukunft schaffen.
Der Peak der Covid-19-Neuinfektionen war in Kamerun Anfang Juli. Der Verlauf der Epidemie war insgesamt eher unerwartet mild. Jedoch hatte der Lockdown für die meisten großen wirtschaftlichen Schaden mit sich gebracht. Allerdings hält die Stadt, in der Reginamaria Eder wohnt, nun eine andere Epidemie im Griff: Die Cholera. Corona wurde da fast zur Nebensache – eben eine von vielen Katastrophen, an die Kameruner gewöhnt sind. „Kampf ums Überleben gehört zum Alltag – was ziemlich krisenfest macht“, sagt Eder. Tiefes Gottvertrauen – manchmal bis zum Fatalismus – trägt Christen wie Muslime. Und so legte sich die anfängliche Panik.
Die meisten Menschen leben in Kamerun auf engstem Raum zusammen. Zuhause ist eine Quarantäne daher für die allermeisten unmöglich.
Bleibt das Krankenhaus. Doch für die Menschen in Kamerun ist es völlig inakzeptabel, dass jemand fern der Familie isoliert wird. Obwohl es inzwischen Tests gibt, lassen sich nur wenige testen. Die Angst vor der Krankheit ist kleiner als die vor der Isolation. Die traditionelle Kräutermedizin aus dem Urwald kennt viele Mittel, Kräuter, Blätter und Wurzeln, die das Immunsystem stärken. So haben sich präventiv die meisten Menschen gut gewappnet (Zitronen und Ingwer verteuerten sich beispielsweise stark). Ein neues Selbstbewusstsein
wächst. Afrika besinnt sich auf seine eigenen Ressourcen und will sich unabhängiger von den großen Wirtschaftsnationen machen. „Jede Krise ist eine Chance“, sagt Eder.
So wurde auch Patience Mollè Lobè, als sie unerwartet wegen Corona in Kamerun festsaß, sofort für die Projekte aktiv. Sie trieb die Baumaßnahmen in einer für Kamerun unglaublichen Intensität voran. Dank der Unterstützung aus Deutschland konnte auch die Futterhalle in Bonendale umgebaut werden in ein HUPJEFI-Sozialzentrum. Nach der Eröffnung
freuen sich die Mitarbeiter auf viele Mädchen, die hier aufgefangen werden.
Auch auf dem sumpfigen Farmgelände geht es voran. Es wurde aufgeschüttet, mit Drainagekanälen trocken gelegt und die ersten Mauern hochgezogen. Hierher soll im Herbst 2021 die Berufsfachschule Doriana aus der beengten Innenstadt umziehen. Bisher wurden dafür 20 000 Euro verbaut. Weitere 35 000 Euro sind nötig. Die Initiativen in Kamerun machten Mut, sagt Eder. „Bauen auch Sie mit an einer geeinteren Welt.“