Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Meisterzwang soll schärfer werden
Koalition erwägt Wiedereinführung des Meisterzwangs in bestimmten Berufen
FRANKFURT (sz/AFP) - Koalitionspolitiker von CDU und SPD wollen in bestimmten Handwerksberufen den Meisterzwang für eine selbstständige Tätigkeit wieder einführen. „Die Abschaffung der Meisterpflicht war ein Fehler“, sagte Carsten Linnemann (CDU) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer begrüßte die Initiative. Mit der Handwerksreform von 2004 war die Zahl der Berufe mit Meisterpflicht von 94 auf 41 reduziert worden. 53 Handwerke sind seitdem zulassungsfrei.
RAVENSBURG/FRANKFURT - Die Regierungskoalition will nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“in bestimmten Handwerksberufen den Meisterzwang für eine selbstständige Tätigkeit wieder einführen. „Die Abschaffung der Meisterpflicht war ein Fehler“, sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) im Gespräch mit der „FAZ“. Die Qualität der Arbeit habe sich in diesen Gewerken teilweise deutlich verschlechtert, außerdem werde weniger Nachwuchs ausgebildet. „Wir sollten die Meisterpflicht deshalb in bestimmten Berufen wieder einführen“, so Linnemann.
Mit der Handwerksreform von 2004 war die Zahl der Berufe mit Meisterpflicht von 94 auf 41 reduziert worden. Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wollten damit die Arbeit im Handwerk attraktiver machen und die hohe Arbeitslosigkeit lindern. Gerüstbauer, Fliesenleger, Raumausstatter, Rollladenbauer: Insgesamt 53 Gewerke sind seitdem zulassungsfrei. Jeder der sich das zutraut kann sich selbstständig machen und sein Geschäft ohne Meisterbrief führen. Zur Ausbildung in diesen Bereichen wird in der Regel allerdings unverändert der Meisterbrief verlangt.
Fehlendes Qualitätsversprechen
Aus Sicht des Handwerks hat sich die Reform von 2004 – wenig überraschend – nicht bewährt. „Die Änderungen in der Handwerksordnung haben dazu geführt, dass die Zahl der Solo-Selbstständigen enorm gestiegen ist. Der Kunde hat das Nachsehen: Es fehlt das Qualitätsversprechen, für das der Meister steht. Das kratzt an unserem Image“, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH), im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“vor Jahresfrist.
Hinzu kamen deutlich nachgebende Preise aufgrund eines zunächst größeren Angebots. Dieser Effekt ebbte jedoch rasch wieder ab, da viele der Solo-Selbstständigen mit ihren Leistungen nicht lange am Markt bestehen konnten – im Bereich Bauund Ausbau oft schon innerhalb der fünfjährigen Gewährleistungsfrist, heißt es vom ZDH.
Auch die Ausbildungszahlen in den Gewerken ohne Meisterzwang gingen nach Zahlen des ZDH deutlich zurück. „Das hat manchen Beruf und damit die Versorgung der Verbraucher fast zum Erliegen gebracht – etwa beim Fliesenleger. Und dessen Leistung ist heute händeringend gesucht“, erklärt Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, der froh darüber ist, dass die Politik bereit ist, „über die damaligen Fehler nachzudenken und sie gegebenenfalls zu korrigieren“.
Unterstützung für solche Überlegungen kommen nicht nur aus der Union. Auch die SPD, die seinerzeit die Lockerung vorangetrieben hatte, ist dafür, die Meisterpflicht in einigen Gewerken wieder einzuführen. „Die Kunden müssen die Sicherheit haben, dass der bestellte Handwerker auch wirklich eine gut ausgebildete Fachkraft ist“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol der „FAZ“. Er erwarte von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einen „konkreten Vorschlag, wie man die Handwerksordnung ändern kann, ohne vor dem Bundesverfassungsgericht und bei der Europäischen Kommission zu scheitern“. Sollte es von Altmaier keine Bewegung geben, müsse die SPD „im Bundestag aktiv werden“, sagte Bartol.
Sowohl Bartol als auch Linnemann hatten sich bereits im Frühjahr ähnlich geäußert und erklärt, sich vor allem solche Bereiche anschauen zu wollen, in denen es zu „Fehlentwicklungen“gekommen sei.
Der Zentralverband des deutschen Handwerks hat laut „FAZ“zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die prüfen sollen, wie sich die Wiedereinführung der Meisterpflicht verfassungsrechtlich und ökonomisch begründen ließe. Widerstand dürfte vor allem aus Brüssel kommen, da sich die EU-Kommission schon seit Langem an den Hürden stört, die Ausländern in Deutschland die Ausübung bestimmter Berufe erschweren. Der „FAZ“zufolge hat sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags der Problematik schon einmal angenommen: Demnach wäre die Rückkehr zur Meisterpflicht möglich, wenn Abschlüsse von EUAusländern anerkannt würden.