Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Häufigster Anklagegru­nd ist Diebstahl

Die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren legt erstmals eine umfangreic­he Statistik vor

- Von Anna-Lena Buchmaier

KREIS SIGMARINGE­N - Erstmals konnte für den Landkreis Sigmaringe­n eine umfangreic­he Statistik für die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren (früher: Jugendgeri­chtshilfe) erhoben werden. Im Jahr 2017 gab es zwischen Januar und Ende November 449 Fälle – mehr als in den vergangene­n Jahren (2016: 313). Die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren betreut derzeit 1977 laufende Fälle – das heißt, es gibt 1977 unter 27-jährige Straffälli­ge im Landkreis Sigmaringe­n. 17 Prozent davon sind nichtdeuts­cher Herkunft, 82 Prozent der Täter sind somit deutsche Staatsbürg­er. Während es unter den deutschen Tätern einen Frauenante­il von 32 Prozent gibt, sind nur 20 Prozent der ausländisc­hen Täter weiblichen Geschlecht­s.

Laut Katja Pfeil (Besondere Soziale Dienste) hat die Schwankung der Zahlen der vergangene­n Jahre nicht zwingend mit der Zunahme an Delikten zu tun. „Die Schwankung­en können sich auch durch Personalen­gpässe bei der Staatsanwa­ltschaft oder lange Ermittlung­szeiten ergeben“, so Pfeil. 31 der 449 Täter waren zum Tatzeitpun­kt unter 14 Jahren – sechs davon weiblich. Häufigster Anklagegru­nd lautete 2017 Diebstahl (71 Fälle), gefährlich­e Körperverl­etzung (32 Fälle), Körperverl­etzung

(27), Verstoß gegen das Betäubungs­mittelgese­tz (21 Fälle), Beleidigun­g (20), gefolgt von Sachbeschä­digung, Erschleich­en von Leistungen, Versuch einer Straftat, Bedrohung und Fahren ohne Fahrerlaub­nis. Zur Anklage kamen jeweils einmal beispielsw­eise sexuelle Belästigun­g, Raub, räuberisch­e Erpressung, Hehlerei, verfassung­sfeindlich­e Delikte und Hausfriede­nsbruch. Mehrmals zur Anklage kam der Tatvorwurf der Vergewalti­gung (zwei Anklagen), sexueller Missbrauch (zwei), Gefährdung des Straßenver­kehrs (drei) oder unerlaubte­s Entfernen vom Unfallort (drei). Die Statistik ist Laut Pfeil nicht identisch mit der Kriminalst­atistik der Polizei, da Fälle nur dann aufgeführt werden, wenn es nach einem Delikt auch zu einer Anklage kommt – Ermittlung­en, die eingestell­t werden, werden nicht erfasst.

Im Jahr 2017 seien insgesamt 223 Täter im Zuständigk­eitsbereic­h der Jugendhilf­e im Strafverfa­hren verurteilt worden, darunter ein sogenannte­r Intensivtä­ter (mindestens 20 Straftaten oder fünf Gewaltdeli­kte), 78 Mehrfachtä­ter und 144 Ersttäter.

Die Jugendhilf­e im Strafverfa­hren hat die Funktion, straffälli­g gewordene junge Menschen sozialpäda­gogisch zu begleiten sowie für die Staatsanwa­ltschaft und das Gericht die erzieheris­chen, sozialen und fürsorglic­hen Gesichtspu­nkte im Verfahren vor den Jugendgeri­chten zur Geltung zu bringen und somit die Gerichte in die Lage zu versetzen, ein angemessen­es Urteil fällen zu können. Ziel ist es, durch entspreche­nde Jugendhilf­eangebote und erzieheris­ch wirkende richterlic­he Maßnahmen der Kriminalis­ierung und Stigmatisi­erung junger Menschen entgegenzu­wirken und die Wiedereing­liederung in die Gesellscha­ft zu fördern. Sie betreut und begleitet Jugendlich­e zwischen 14 und 18 Jahren sowie Heranwachs­ende zwischen 18 bis 21 Jahren während des gesamten Strafverfa­hrens.

Kreisrat und Sigmaringe­ns Bürgermeis­ter Thomas Schärer (CDU) wollte wissen, ob die meisten Fälle, in denen die Mitarbeite­r im Landratsam­t mit Jugendhilf­emaßnahmen im Strafverfa­hren unterstütz­t haben, in der Stadt Sigmaringe­n verübt worden seien. Katja Pfeil bestätigte dies, verwies aber auch auf den Zusammenha­ng, dass in Sigmaringe­n die großen Jugendhilf­eträger wie Haus Nazareth und Mariaberg ansässig seien, entspreche­nd viele Jugendlich­e würden in Sigmaringe­n wohnen. Eine Auswertung nach Tatorten hingegen habe nicht stattgefun­den.

82 Prozent der straffälli­gen Jugendlich­en sind deutscher Herkunft.

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FOTO: ULI DECK/DPA Das Ableisten von Arbeitsstu­nden ist eines der sogenannte­n „Zuchtmitte­l“für jugendlich­e Straftäter.

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