Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Bürgermeisterin im Jahresinterview
Doris Schröter möchte Verwaltungsgemeinschaft mit Herbertingen ausbauen.
BAD SAULGAU - Kurz vor Weihnachten hat SZ-Redakteur Rudi Multer ein Gespräch mit Bürgermeisterin Doris Schröter geführt. Dabei verriet sie, dass es den Sekt für die Entscheidung zum Exzellenzgymnasium im naturwissenschaftlichen Bereich noch nicht gibt.
Auf einer Punkteskala von null bis zehn: Wie viele Punkte würden Sie dem vergangenen Jahr geben?
(überlegt einige Zeit) Acht. Das Jahr war sehr gut, aber es geht natürlich immer noch ein wenig besser.
Wie begründen Sie Ihre Wertung?
Wenn wir den Heimatbrief vorbereiten, werden mir die vielen guten Projekte des Jahres wieder bewusst, unabhängig davon, ob es ein Projekt von uns (der Stadtverwaltung, d. Red.) war. Wir konnten das neue Bettenhaus einweihen. Das ist ein ganz wichtiges Projekt für unser Krankenhaus beziehungsweise für den Klinikverbund im Landkreis. Ich bin glücklich, wie gut sich die medizinische Versorgung in Bad Saulgau entwickelt hat, auch im Bereich der niedergelassenen Ärzte. Für einen solchen Versorgungsgrad in einem ländlichen Raum muss man dankbar sein. Wir sind mit dem Zweckverband GIO (Gewerbe- und Industriepark Oberschwaben zusammen mit den Gemeinden Boms, Aulendorf, Altshausen, d. Red.) im Bereich der Gewerbeansiedlung interkommunal, sogar landkreisübergreifend unterwegs. Das ist etwas Besonderes, das hat Zukunft. Wichtige Baumaßnahmen und Entscheidungen, an denen wir schon lange arbeiten, sind gefallen, zum Grundschulstandort Renhardsweiler, dem Neubau des Kindergartens Braunenweiler oder der Kinderbetreuung insgesamt. Wir haben in vielen Sitzungen in der Sache debattiert und schließlich im Gemeinderat einstimmig den Grundsatzbeschluss gefasst. Das zeigt doch ein gutes Miteinander bei wichtigen Themen.
Die letzte Sitzung des Gemeinderats endete in der Tat sehr harmonisch mit einem Rückblick von Ihnen und von Frau Brey als Sprecherin des Gemeinderats. Nach der heftigen politischen Diskussion um die Gemeinschaftsschule scheinen die Gräben zugeschüttet zu sein. Was hat sich an der Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat geändert?
Die Diskussion um die Gemeinschaftsschule war sicherlich eine Ausnahmesituation, die zu einer starken Polarisierung und Spaltung geführt hat. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis das verarbeitet war. Wenn jetzt vom Gemeinderat gemeinsame Anträge gestellt werden, dann zeigt das, dass wir schwierige Themen gemeinsam angehen sollten. So können wir gegenüber der Bürgerschaft ganz anders auftreten.
Sind Sie selbst nach zehn Jahren im Amt vielleicht auch gelassener?
Gelassener möchte ich nicht sagen, mir sind Entscheidungen ja nicht egal. Aber man lernt mit jedem Amtsjahr und mit jedem Projekt dazu. Vielleicht bin ich inzwischen früher bereit, Dinge einfach zu akzeptieren, auch wenn ich persönlich anderer Meinung bin.
Mancher Konflikt scheint sich jetzt ins Außenverhältnis verlagert zu haben. Ihr Herbertinger Kollege Magnus Hoppe kritisiert, Sie hätten im Vorfeld der Entscheidung zu den Grundschulen den Austausch mit der Nachbargemeinde nicht gesucht. Wollten Sie keine Suche nach einer gemeinsamen Lösung?
Dass sich der Kollege mit der Entscheidung schwertut, liegt in der Natur der Sache. Alles andere wäre komisch. Aber jeder Schulträger schaut auf die Schulentwicklung in seinem Einzugsgebiet. Wir brauchten eine Lösung für den Schulstandort Renhardsweiler und eine Entlastung der
Berta Hummel-Schule. Die Frage um die Zukunft des Grundschulstandorts Marbach ist nichts überraschend Neues. Magnus Hoppe und ich haben uns immer wieder über das Thema unterhalten. Als die Sache dann akut wurde, habe ich meinen Kollegen informiert und ihm die Sitzungsunterlagen zukommen lassen. Aber ich kann die Diskussion um die Zukunft des Schulstandorts Marbach nicht führen. Das ist die Sache der Gemeinde Herbertingen.
Trotz gemeinsamer jährlicher Wanderung von Gemeinderäten und Mitarbeitern der beiden Verwaltungen scheint die Zusammenarbeit mit Herbertingen und die Verwaltungsgemeinschaft nicht richtig voranzukommen.
Beim interkommunalen Gewerbegebiet hat sich Herbertingen nach
Mengen und Hohentengen orientiert. Heißt das, Bad Saulgau will die interkommunale Zusammenarbeit, aber nicht unbedingt innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft?
Bei der Planung interkommunaler Gewerbegebiete spielt es gar keine Rolle, wer mit wem im Boot sitzt. Es geht darum, dass wir Unternehmen, auch größeren Betrieben, ausreichend Gewerbeflächen anbieten können, bevor Unternehmen ganz abwandern. Das andere Thema ist die Verwaltungsgemeinschaft. Bei der Wanderung mit den Gemeinderäten aus Herbertingen habe ich deutlich gemacht, dass wir immer bereit waren und heute umso mehr die Notwendigkeit sehen, die Verwaltungsgemeinschaft für die Aufgabenbewältigung zu nutzen. In der derzeitigen Gremienbesetzung und mit Magnus Hoppe als Bürgermeister sehe ich Chancen, dass wir vorankommen. Es gibt eine Vielzahl von Aufgaben, über die wir reden könn-
ten. Dabei müssen gemeinsame Aufgaben nicht unbedingt in Bad Saulgau wahrgenommenen werden.
Welche Themen könnten das sein?
Lohnabrechnung, Standesamt oder Personal. Mit den Stadtwerken sind wir bereits gemeindeübergreifend unterwegs. Auch der Tourismus bietet sich an. Wir sollten schauen, was möglich ist.
Wie haben Sie im November die Entscheidung im Landeskabinett gefeiert, dass Baden-Württemberg ein Exzellenzgymnasium für den naturwissenschaftlichen Mint-Bereich im früheren Aufbaugymnasium einrichten wird? Gab es Sekt?
Diese Nachricht war natürlich das Highlight. Nachdem wir so viele Jahre auf dem Weg dahin unterwegs waren, ist das grandios, nicht nur für Bad Saulgau, sondern für den Kreis und die ganze Region. Als ich die Pressemitteilung bekommen habe, konnte ich es gar nicht richtig glauben. Dann habe ich mich an den PC gesetzt und erst einmal Mails geschrieben. Ich habe mich bei allen bedankt, die uns all die Jahre auf diesem Weg unterstützt haben.
Wann gibt es den Sekt?
(lacht) Wenn der Bagger auf der Baustelle steht.
Es ist immer wieder von einem Beitrag der Stadt im Zusammenhang mit dem Exzellenzgymnasium die Rede. Wie könnte der aussehen?
Ein Thema ist die Mensa. Dem Exzellenzgymnasium wird ein Internat angeschlossen sein. Wir könnten uns gemeinsame Lösungen beim Betrieb der Mensa vorstellen. Auch die gemeinsame Nutzung unserer Sporteinrichtungen oder des Fachraumzentrums beim Gymnasium wären solche Themen. Der Landkreis wird gefragt sein, der heute bereits das Schülerforschungszentrum unterstützt. Notwendig ist es auch, die Rolle des Sfz (Schülerforschungszentrum Südwürttemberg, d. Red.) in der Kooperation genauer zu definieren. Hier ist der Förderverein Ansprechpartner. Über solche Dinge wird man nachdenken.
Welchen Stellenwert hatte das Schülerforschungszentrum bei dieser Entscheidung?
Einen sehr großen. Das Schülerforschungszentrum hat sich hervorragend entwickelt und ist inzwischen an acht Standorten präsent. Das Sfz hat inzwischen überregional einen hohen Bekanntheitsgrad. Das ist wie beim Fußball. Durch die nationalen und internationalen Erfolge bei Wettbewerben in Wissenschaft und Forschung ist das Schülerforschungszentrum über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. Hinzu kommt, dass auch die Wirtschaft den Standort des Exzellenzgymnasiums in Bad Saulgau unterstützt hat.
Mit der Sanierung der Grundschule in Renhardsweiler und dem Neubau des Kindergartens in Braunenweiler ist das Thema Kinderbetreuung ja nicht vom Tisch. Den Grundsatzbeschluss für die Investition in der Kernstadt hat der Gemeinderat aber nicht gefasst. Weshalb bleibt die Stadt hier auf halber Strecke stehen?
Das ist nicht ganz richtig. Dass eine weitere Kindertageseinrichtung in der Kernstadt kommen wird, ist klar. Nur der Standort (zwischen ABCHalle und Störck-Gymnasium, d. Red.) stieß nicht bei allen gleich auf Begeisterung. Inzwischen zeichnet sich ab, dass wir hinter der derzeitigen Bebauung an der Liebfrauenstraße Flächen für ein mögliches Baugebiet planen. Damit würden sich die Rahmenbedingungen ändern. Da muss man dann mal schauen, wo genau der optimale Platz für die Einrichtung wäre - und wie wir das finanziell stemmen können. Jetzt kommt erst einmal der Bau der dreigruppigen Einrichtung in Braunenweiler. Wir haben die provisorische zusätzliche Gruppe beim Kindergarten St. Franziskus bereits eingerichtet. Aber sicher ist, dass in der Kernstadt eine weitere Einrichtung gebaut wird.
„Ich habe mich bei allen bedankt, die uns all die Jahre auf diesem Weg unterstützt haben.“Zur Reaktion nach der Entscheidung des Landes zum Mint-Exzellenzgymnasium
„Wenn wir die Kosten für diese Infrastruktur nicht auf mehrere Schultern verteilen, laufen wir Gefahr, an unserer tollen Infrastruktur zu ersticken.“Zu den Hallengebühren
Auch über die Einführung von Hallengebühren wird heftig diskutiert. Die Stadt liegt im Clinch mit dem TSV in dieser Sache. Wie wollen Sie in dieser angeheizten Atmosphäre das Ehrenamt fördern und die Vereine trotzdem an der Finanzierung des Unterhalts der Sporthallen beteiligen?
Das Thema wird innerhalb der Vereine ganz unterschiedlich vermittelt. In den Teilorten begrüßen die Vereine zum großen Teil, dass wir das jetzt angehen, weil es bisher sehr unterschiedliche Regelungen zur Nutzung von Hallen gibt. Den Mitgliedern sollte das Angebot der Vereine doch etwas wert sein. Vereinsmitglieder können einmal pro Woche oder noch häufiger tolle Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das geht nur dank der engagierten Arbeit der vielen ehrenamtlichen Helfer und Übungsleiter. Ich halte es deshalb für vertretbar, dass Mitgliedsbeiträge moderat angepasst werden. Wir sind inzwischen ja bei einem ganz anderen Betrag für die Hallennutzung angelangt, als dem, den wir ursprünglich diskutiert hatten. Das ist inzwischen ein eher symbolischer Beitrag. Bad Saulgau verfügt über eine sehr gute, aber auch umfangreiche Infrastruktur, die eben auch einen enormen Unterhaltungsaufwand verursacht. Wir decken in vielen Einrichtungen nur einen minimalen Anteil der Kosten. Bei den Kindertagesstätten sind das beispielsweise um die 15 Prozent. Den Beteiligten muss klar sein, dass die Stadt das finanziell nicht alles alleine stemmen kann. Wenn wir die Kosten für diese Infrastruktur nicht auf mehrere Schultern verteilen, laufen wir Gefahr, an unserer tollen Infrastruktur zu ersticken. Auf der anderen Seite macht dieses Angebot unsere Stadt auch aus, genauso wie das kulturelle Angebot oder die Innenstadt. Wir müssen alles im Auge behalten und dürfen Sportvereine, Kultur und Belebung der Innenstadt nicht gegeneinander ausspielen. Es geht nicht um ein Entweder-oder sondern wie schaffen wir ein Sowohl-als-auch.
Was wünschen Sie sich für das neue Jahr 2018?
Es wäre schön, wenn wir die ganzen anstehenden Aufgaben bewältigen könnten und dabei die Gesundheit nicht auf der Strecke bleibt. Damit meine ich nicht nur meine eigene Gesundheit, sondern auch die meiner Mitarbeiter. Die Aufgaben sind anspruchsvoller geworden, trotzdem sollten wir auf die Grenzen der Belastbarkeit achten. Dazu wäre es wichtig, dass 2018 Gemeinderat und Verwaltung den 2017 begonnenen Prozess fortsetzen und gemeinsam die Ziele der Stadtentwicklung definieren und konkrete Projekte als Beschlussvorschlag vorlegen können. Und ich wünsche mir, dass die Landesregierung den konkreten Beschluss zum Mint-Exzellenzgymnasium bis zum dritten Quartal fasst, damit ich den Sekt schon mal kaltstellen kann.