Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Das lange Warten
Ein Stromausfall sorgt für Chaos am verkehrsreichsten Flughafen der Welt in Atlanta
ATLANTA (dpa) - Mit einem lauten Klack fährt der Generator hoch. Von einem Mast fällt Flutlicht auf eine Halle des Hartsfield Jackson Atlanta International Airport. Er wird in der Nacht zum Montag für Stunden eine der wenigen Energiequellen sein, die es am verkehrsreichsten Flughafen der Welt gibt. Kompletter Stromausfall. Flugzeuge, Türen, Förderbänder, Klimaanlagen, so gut wie alles steht still. 30 000 Betroffene, eine Woche vor Weihnachten – Stillstand im Herzen der Mobilität, wo Fliegen und Unterwegssein so selbstverständlich sind wie Lunch oder Schlafen.
Mehr als 104 Millionen Passagiere jährlich zählt dieser Flughafen laut Airport International Council,2500 Starts und Landungen pro Tag. Sofort sendet der Stillstand Schockwellen durch den Flugverkehr nicht nur in den USA. 1175 Flüge von und nach Atlanta wurden gecancelt, hat die Webseite Flight Aware gezählt. Hunderte weitere sind es am Montag.
Videos in sozialen Netzwerken zeigen nicht nur den Flutlichtmasten, sondern auch Dutzende Flugzeuge, die nach dem Ausfall wie an einer Schnur aufgereiht auf dem Rollfeld stehen. Manche Fluggäste mussten fünf Stunden und mehr an Bord ausharren – das Wasser ging zur Neige, Toiletten waren an der Kapazitätsgrenze. Nun sind Amerikaner im Vergleich zu anderen Nationalitäten extrem duldsam, was etwaige Störungen im Betriebsablauf anbelangt – aber dieser Ausfall war vielleicht doch etwas viel.
„Die Fünf-Stunden-Marke ist der Punkt, an dem es mir dann reicht“, twitterte CNN-Reporterin Betsy Klein von Bord einer der gestrandeten Maschinen. Sieben Stunden sollten es für sie werden. Aus anderen Flugzeugen stiegen erste Gäste aus, teils mussten sie die Maschinen über Leitern verlassen. Mitarbeiter wiesen mit Leuchtstäben den Weg. Nach 22 Uhr war die letzte Maschine leer.
Im Gebäude, so berichten Fluggäste, gab es über Stunden eine mechanische Stimme: „Warten Sie auf weitere Informationen“, begleitet vom gleichmäßigen Zucken vereinzelter Alarmlichter. „Es war echt finster“, sagte Heather Kerwin zu CNN, „richtig apokalyptisch“.
Was war passiert? Offensichtlich war ein Brand beim Stromversorger Georgia Power die Ursache. Die „Washington Post“berichtete, dass im gleichen Gebäude unter der Erde die Vorrichtung untergebracht war, die den Notstrom hätte aktivieren können oder sollen. Womöglich würde man das künftig an zwei voneinander entfernten Orten montieren wollen. „Wir haben viele redundante Systeme in Betrieb, um Verlässlichkeit für den Flughafen herzustellen. Stromausfälle den Airport betreffend sind sehr selten“, ließ Georgia Power wissen. Um 13.06 Uhr Ortszeit gingen die Lichter in Atlanta aus. Nach fast elf Stunden war der Strom wieder da.
Im Herzen der Finsternis
Einige Bereiche des riesigen Flughafens waren zwischenzeitlich so finster, dass Menschen die Leuchten ihrer Smartphones nutzten, um sich irgendwie zurechtzufinden. Das sah auf Videos zwar hübsch aus, Kommentare in sozialen Medien waren aber eher unwirsch. „Bleibt bloß weg hier!“, twitterte ein Betroffener, „alles zusammengebrochen!“In anderen Bereichen des Flughafens war zu sehen, wie Mitarbeiter Menschen in Rollstühlen Stufe um Stufe hochtragen. Fahrstühle, Rolltreppen: lahmgelegt. In Decken gehüllt nutzten Gestrandete Koffer als Kopfkissen. Die Fastfoodkette Chick-fil-A gab auf Geheiß des Bürgermeisters Kasim Reed 2000 kostenlose Essen aus. Reisende schliefen auf Gepäckbändern.
Kritik gab es am Krisenmanagement: „Absolut bizarr“, sagte die gestrandete Olivia Dorfman dem „Atlantic-Journal Constitution“, „offensichtlich weiß hier niemand, was er tut“. Dennoch scheint dieser gewaltige Stromausfall außer Ärger und Verzögerungen aber weitestgehend glimpflich abgegangen zu sein, es gab keine Verletzten. Nur ein großes, selten langes Warten.