Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Studie attestiert starken Zusammenhalt in Deutschland
Laut Bertelsmann-Stiftung wird jedoch eine große Gerechtigkeitslücke wahrgenommen
BERLIN - Knapp 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sehen einen starken sozialen Zusammenhalt in ihrem Umfeld. Doch drei Viertel der Bevölkerung sind mit Blick auf das ganze Land skeptisch und halten den Kitt der Gesellschaft für brüchig. Das geht aus der Studie „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“hervor, für die die BertelsmannStiftung 5000 Menschen in 79 Regionen befragt hat. Die besten Werte gibt es in Baden-Württemberg, Bayern und im Saarland.
Die Experten befragten die Teilnehmer nach dem sozialen Klima. Demnach schätzten 68 Prozent den sozialen Zusammenhalt in ihrer Umgebung als gut ein, nur knapp sieben Prozent halten ihn für schlecht. Dennoch wird die Lage im Land pessimistischer eingeschätzt. Denn drei Viertel gaben an, sie sähen den gesellschaftlichen Zusammenhalt zumindest teilweise als gefährdet an. „Die konkreten Alltagserfahrungen der Menschen sind besser als das, was sie für das gesamte Land vermuten – oder was ihnen öffentliche Debatten dazu spiegeln“, sagte Bertelsmann-Experte Stephan Vopel.
Zwischen Ost und West gibt es eine Kluft. Der Zusammenhalt in den ostdeutschen Ländern wird als deutlich schwächer bewertet. Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten landeten alle Bundesländer bei 57 bis 63 Punkten. Die höchsten Werte haben das Saarland und die übrigen Länder im Süden. Am Ende liegen die fünf neuen Länder. Schlusslichter sind Brandenburg und Sachsen. Auf die Frage, ob der Zusammenhalt in Deutschland gefährdet sei, antworteten 55 Prozent der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern mit Ja, in Hamburg waren es nur 27 Prozent, der Durchschnitt lag bei 38 Prozent.
„Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist dort geringer, wo viele Arbeitslose und arme oder von Armut gefährdete Menschen leben“, halten die Forscher fest. Besonders eine hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie ein hoher Anteil an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss bedrohe das Zusammengehörigkeitsgefühl, ebenso wie eine überalterte Bevölkerung. Insgesamt wird eine große Gerechtigkeitslücke in Deutschland wahrgenommen. Nur ein kleiner Teil der Befragten ist der Meinung, dass es bei der Verteilung des wirtschaftlichen Reichtums in Deutschland gerecht zugehe. „In Regionen und Bundesländern, die sich als weltoffen erweisen, in denen viele junge Menschen leben und Arbeit finden und die eher in der Lage sind, soziale Ausgrenzung zu verhindern, ist der Zusammenhalt besser“, lautet das Studienfazit.
„Für den Zusammenhalt spielt es keine Rolle, wie viele Ausländer und Migranten in einer Region oder in einem Bundesland leben“, heißt es in der Studie. Gesellschaftliche Vielfalt werde bundesweit in hohem Maße akzeptiert – auf einer Skala von 0 bis 100 lag der Schnitt bei 79 Punkten.