Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Zwiefaltener Trio weiter flüchtig
Aus der Psychiatrie in Zwiefalten geflohene Straftäter immer noch auf der Flucht
ZWIEFALTEN (sz) - Nach der Flucht von drei Insassen aus dem ZfP Zwiefalten fürchten Ärzte Straftaten von den Männern. Die Männer – 30, 32 und 38 Jahre alt – seien verurteilte Straftäter und drogen- sowie alkoholabhängig, sagte Chefärztin Ruxanda Zavoianu am Montag. Selbst nach längerer Behandlung in der geschlossenen Psychiatrie seien sie als nicht therapierbar eingeschätzt worden. Das Trio, am Sonntag spektakulär ausgebrochen, ist weiter auf der Flucht.
ZWIEFALTEN (dpa/sz) - Eine Flucht, wie man sie sonst nur im Kino oder am Bildschirm erlebt: „Es war 20.15 Uhr, da hörte eine Schwester zwei kräftige Schläge“, berichtet Alfred Bayer von der Pflegerischen Leitung der Klinik für Forensische Psychiatrie in Zwiefalten (Kreis Reutlingen). Bei einem Blick aus dem Fenster habe sie Mauersteine und Schutt auf dem Boden gesehen. „Sie hat sofort Personenalarm ausgelöst.“
Doch den drei drogenabhängigen Straftätern, die am vergangenen Samstagabend durch ein Loch in der Wand ihres Patientenzimmers in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie entkamen, reichte der Vorsprung allemal. Die Großfahndung nach ihnen blieb – Stand Montagabend – erfolglos.
Die Flucht ist Stadtgespräch in dem beschaulichen Ort auf der Schwäbischen Alb. Manch einer hat Angst, andere nehmen es mit Humor. „Ischt doch klar, die hatten Durscht“, sagt ein grauhaariger Mann und zeigt auf das Spruchband, das die Straße zwischen der Klinik und der gegenüberliegenden Klosterbrauerei überspannt: „Zwiefalter Historisches Bierfest 22.-25. September“.
Zum Lachen ist der Klinikleitung nicht zumute. Schließlich könnten die Flüchtigen nach Einschätzung von Therapeuten kriminelle Handlungen begehen, um an Drogen oder anderen Stoff zu kommen. Die 30, 32 und 38 Jahre alten Männer aus Griechenland, der Türkei sowie Italien sind wegen Raubdelikten verurteilt.
Alle drei wurden als schwer drogenund alkoholabhängig eingestuft. Selbst nach längerer Behandlung wurden sie als nicht weiter therapierbar eingeschätzt, berichtet Chefärztin Ruxanda Zavoianu am Montag bei einer Pressekonferenz. Deshalb standen die Männer nach Angaben des Leitenden Ärztlichen Direktors, Professor Gerhard Längle, kurz davor, wieder zurück ins Gefängnis zu müssen. Dort hätten sie noch teils lange Haftstrafen zu verbüßen gehabt – das wussten sie natürlich.
Auch deshalb war das Trio im Krisenbereich der Klinik untergebracht. Er galt als recht ausbruchssicher. Dafür hatte man zusätzliche Maßnahmen getroffen, nachdem es seit 2012 zu mehreren Ausbrüchen aus Psychiatrischen Anstalten in BadenWürttemberg gekommen war.
Provisorische Werkzeuge
Die Patienten in diesem geschlossenen Bereich waren tagsüber beinahe einmal pro Stunde im Kontakt mit dem Personal. Regelmäßig seien die Aufenthalts- und Schlafräume kontrolliert worden, berichtet Bayer. „Abends werden die Patienten eingeschlossen, mindestens zweimal in der Nacht wird mit Blicken durch die Luke und das Ableuchten der Räume mit der Taschenlampe kontrolliert.“
Doch mit ihrer Flucht gaben die drei all dies der Lächerlichkeit preis: Mit provisorischen Werkzeugen, unter anderem wohl aus Scharnieren von Bettgestellen und Stühlen, hätten sie die 40 Zentimeter dicke Außenwand immer weiter ausgehöhlt, wie Bayer sagt. Den Bauschutt fand man unter ihren Betten. „Sie haben es geschickt gemacht“, attestiert Bayer den Straftätern. Der zum Durchstechen vorbereitete Teil der Wand war demnach von einem Heizkörper verdeckt, den die handwerklich begabten Täter zum Schürfen wohl immer wieder nach hinten klappten. Niemand will davon etwas gehört haben. Aus einem Bettgestell bauten die Täter einen mit Stoff umwickelten Rammbock. Zwei starke Stöße genügten. Für das völlige Chaos sorgten sie mithilfe des Heizkörpers. Beim letzten Akt rissen sie ihn von der Wasserleitung. Der austretende heiße Dampf löste Brandalarm aus.
Zur Frage, ob nun bauliche Konsequenzen gezogen werden müssen, meint Professor Längle: „Wir sind kein Hochsicherheitstrakt.“Jetzt mache man zuerst einmal das Loch zu und die Räume wieder bewohnbar. Ob man darüber hinaus Maßnahmen treffen müsse, entscheide die Geschäftsleitung. Er gab den massiven Ausbruchswillen der drei Täter zu bedenken, die sich durch den Abstieg aus acht Metern auch selber gefährdet hätten. Dankbar ist er, dass niemand bedroht oder verletzt wurde. Man werde nun in die Analyse gehen, stellte der Pflegerische Leiter der Klinik für Forensische Psychiatrie des ZfP, Harald Nessensohn, fest. Auf jeden Fall soll es während des Tages mehr Kontrollen geben.