Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Dann droht eine Eskalationsspirale“
Terrorismus-Experte Peter Neumann über die Tat in Barcelona und den Umgang mit Anschlägen
BERLIN - Professor Peter Neumann (Foto: dpa) arbeitet als Terrorismusexperte am King’s College in London. Andreas Herholz hat den Politikwissenschaftler zum Anschlag in Barcelona befragt.
Barcelona ist eine beliebte Touristenmetropole. Soll hier bewusst Angst bei Urlaubern geschürt werden?
Die Ramblas in Barcelona sind natürlich ein attraktives Ziel. Ein Anschlag dort sorgt für große weltweite Aufmerksamkeit. Da haben viele Menschen das Gefühl, dass es auch sie hätte treffen können. Wir haben bereits überall in Europa Terroranschläge erlebt. Der „Islamische Staat“attackiert alle Länder, die in der Allianz gegen ihn in Syrien und im Irak kämpfen und die er als Feinde ansieht. Seit 2014 verübt der IS immer wieder Terroranschläge in europäischen Metropolen. Inzwischen fordert er seine Anhänger verstärkt auf, in Europa zu bleiben und dort Attentate zu verüben.
Nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt war der Ruf nach einer besseren Zusammenarbeit europäischer Sicherheitsbehörden laut geworden. Gibt es inzwischen Fortschritte?
Es tut sich etwas, aber es geht leider viel zu langsam. Es gibt noch viele bürokratische, rechtliche und politische Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssen. Es sind erste Fortschritte gemacht worden. Es gibt aber nach wie vor keine gemeinsame Datenbank, in der alle bekannten terroristischen Gefährder erfasst werden, die von allen nationalen Sicherheitsbehörden in Europa genutzt werden kann. Für die Staaten im Schengen-Raum besteht auch noch immer keine Verpflichtung, ihnen bekannte Gefährder an Europol zu melden. Das ist ein großes Manko. Die künftige Bundesregierung sollte dieses Thema mit absoluter Priorität angehen und die europäische Zusammenarbeit im Anti-TerrorKampf verbessern.
Was muss beim Thema Prävention noch verbessert werden?
In den vergangenen zwei Jahren ist bei der Prävention viel in Deutschland geschehen. Die Situation ist deutlich besser geworden. Es gibt mehr Geld und mehr Präventionsprojekte. Die Arbeit in den Bundesländern muss aber noch besser miteinander vernetzt werden. In einigen europäischen Länder passiert aber bisher nur sehr wenig. Die Balkanländer etwa sind sehr schwach bei der Bekämpfung des Terrorismus und bei der Prävention. Dort muss viel mehr geschehen. Die stärkeren Staaten müssen die schwächeren bei dieser Aufgabe unterstützen.
Wie groß ist die Gefahr, dass wir uns an den Terror und die Bedrohung gewöhnen?
Wir dürfen uns niemals daran gewöhnen, dass Menschen in die Luft gesprengt oder enthauptet werden. Natürlich lässt wegen der Häufigkeit und Wiederholung von Anschlägen, die Aufmerksamkeit nach. Das ist auf der einen Seite positiv, weil Terroristen von der Aufmerksamkeit leben. Auf der anderen Seite wird es auch zum Problem. Wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nachlässt, wird der „Islamische Staat“reagieren und möglicherweise noch schlimmere Attentate planen, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Dann droht eine Eskalationsspirale.