Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Terrorist war kein Einzeltäter
Ermittler vermuten größere Gruppierung hinter den Anschlägen in Katalonien – Haupttäter ist wohl tot
MADRID - Die Terrorspur von Barcelona führt in den kleinen nordspanischen Küstenort Alcanar. Dort, 200 Kilometer südwestlich der katalanischen Metropole, flog einen Tag vor dem mörderischen Angriff in Barcelona die mutmaßliche Bombenwerkstatt der Terroristen in die Luft.
Deswegen, so vermutet die Polizei, schritten sie zu einem heimtückischen Plan B. Und der sah so aus: Einen Tag später, am Donnerstagnachmittag, raste einer der Terroristen mit einem Lieferwagen über die berühmten Ramblas in Barcelona, auf denen sich zu diesem Zeitpunkt Tausende Menschen befanden, darunter viele Touristen.
20 Flaschen Butangas
Zwischen den Trümmern jenes Wohnhauses, in dem es am Mittwochabend, um 23.17 Uhr, in Alcanar zur Explosion kam, fand die Polizei mindestens 20 Butangasflaschen. Zunächst dachten die Ermittler an einen Gasunfall. 24 Stunden später verdichteten sich die Hinweise für die Ermittler, dass jene Terrorserie, die Barcelona und Stunden später den touristischen Badeort Cambrils erschütterte, mit Alcanar in Verbindung steht. Die Hypothese der Ermittler: Die Terroristen verursachten die Explosion bei der unvorsichtigen Manipulation des Bombenmaterials. Mit den Bomben hätten ein oder mehrere Fahrzeuge präpariert werden sollen.
Nach dem Einsturz des Hauses in Alcanar wurden zwischen den Trümmern zwei Leichen gefunden, es könnte sich um die sterblichen Überreste der Bombenbauer handeln. Ein weiterer möglicher Terrorist des Bombenverstecks in Alcanar liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen.
Während die Polizei zwischen den Trümmern nach weiteren Spuren suchte, kämpfte die 1,6-MillionenEinwohnerstadt Barcelona am Freitag gegen den Terrorschock. An einer Gedenkveranstaltung mit Schweigeminute in der Nähe des Tatortes nahmen Spaniens König Felipe und Regierungschef Mariano Rajoy teil. Vor den Blutspende-Stationen der Krankenhäuser bildeten sich lange Schlangen. Einige Hoteliers boten Betroffenen kostenlose Unterbringung an.
Die Sicherheitsmaßnahmen sollen nun weiter verstärkt werden. Ausgerechnet auf Las Ramblas, der touristischen Schlagader Barcelonas, gab es noch keine Betonblöcke oder Stahlpoller, die den Angreifer hätten stoppen können.
Am Donnerstag gegen 16.50 Uhr, so registrierten es die Überwachungskameras, war ein weißer FiatLieferwagen an der Plaza de Cataluña auf die Allee Las Ramblas eingebogen. Etwa einen halben Kilometer lenkte der Terrorist sein Gefährt in Schlangenlinien durch die Fußgängerzone. Der Fahrer überrollte nach Polizeiangaben „mehr als einhundert Menschen“. Dann verschwand er in den Altstadtgassen Barcelonas.
Bei dem Todesfahrer handelt es sich nach Meinung der Fahnder um den 18-jährigen Moussa Oukabir (andere Quellen sagen, er sei 17). Der junge Marokkaner ist der jüngere Bruder von Driss Oukabir (28), der sich Stunden nach dem Attentat stellte und festgenommen wurde. Moussa Oukabir sei auch unter den fünf Terroristen gewesen, die in der Nacht zum Freitag in Cambrils, 130 Kilometer südwestlich von Barcelona, erschossen wurden, berichteten spanische Medien. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Zuvor hatte Oukabir möglicherweise am Donnerstagabend ein Fahrzeug gekapert und den Fahrer erstochen.
Sprengstoffgürtel-Attrappen
In Cambrils wollte das Terrorkommando ein weiteres Massaker begehen. Gegen 1.15 Uhr am Freitagmorgen gelang es der Polizei, an der Promenade und in der Nähe des Hafens ein Fahrzeug zu stoppen, das gerade mehrere Menschen überrollt hatte. In dem Wagen saßen die fünf Männer, alle trugen gut sichtbare Sprengstoffgürtel, die sich später aber als Attrappen erwiesen.
Vier von ihnen wurden durch Polizeischüsse in der Nähe des Fahrzeugs niedergestreckt. Der fünfte schaffte es, einige hundert Meter weiter zu flüchten und mehrere Menschen mit einem Messer zu verletzten. Dann wurde auch er durch Schüsse aufgehalten und brach zusammen.
Polizei reagiert schnell
In Cambrils wurde eine Frau getötet und sechs Menschen verletzt. Später bedankte sich der katalanische Innenminister Joaquim Forn bei jenen Polizisten, die durch ihre schnelle Reaktion ein weiteres Blutvergießen verhindert haben. Denn offenbar wollte das Terrorkommando erst mit einer Horrorfahrt über die Promenade nach dem Muster Barcelonas viele Menschen ermorden und dann mit langen Messern weitere Opfer suchen.
Inzwischen geht man davon aus, dass eine größere Terrorzelle hinter der Attentatsserie steckt. Mehrere mutmaßliche Terroristen, alle marokkanischer Abstammung, wurden am Freitag von der Polizei gesucht. Es sind durchweg junge Männer zwischen 17 und 24 Jahren.