Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Scholz betont historische Verantwortung
Die wichtigsten Punkte der TV-Ansprache des Kanzlers zur deutschen Ukraine-Politik
BERLIN - Lange zögerte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dem Volk seine Ukraine-Politik zu erklären. Doch nun hat er eine Informationsoffensive gestartet. Am historischen 8. Mai, dem Tag des Sieges der Alliierten über Nazi-Deutschland, erläuterte er in einer TV-Ansprache das Vorgehen Deutschlands im Kampf gegen Putins Truppen. Eines stehe fest: „Putin wird den Krieg nicht gewinnen.“Das sind die wichtigsten Punkte der Rede.
Stellt Olaf Scholz einen Zusammenhang zwischen dem Tag der Befreiung und der russischen Aggression her?
Ja. Der Kanzler spricht von der „Friedhofsruhe“am 8. Mai vor 77 Jahren, als in Europa die Waffen endlich schwiegen. Nun würde erneut „rohe Gewalt“mitten in Europa das Recht brechen – und zwar in der Ukraine. Scholz kritisiert die vom Kreml betriebene Gleichsetzung des Ukraine-Krieges mit dem Kampf der Sowjetunion gegen den Nationalsozialismus als „geschichtsverfälschend“, ohne umgekehrt die russische Aggression mit der HitlerDeutschlands auf eine Stufe zu stellen. In einem Punkt sieht er aber historische Parallelen: Damals wie heute müsse einer imperialen, militärischen Aggression auch mit militärischen Mitteln entgegengetreten werden.
Wie definiert Scholz Deutschlands Verantwortung?
Doppelt. Zum einen bestehe die historische Verantwortung fort. Er spricht von dem „Menschheitsverbrechen“, dessen sich die Deutschen mit dem Zweiten Weltkrieg und der Vernichtung von Millionen Menschen schuldig gemacht haben. Gegen den mörderischen Nationalsozialismus hätten einst Russen und Ukrainer gemeinsam gekämpft. Deutschland sieht sich in der Verantwortung gegenüber beiden Völkern und strebt die Aussöhnung mit Russen und Ukrainern seit vielen Jahrzehnten an. Das „Nie wieder“, das sich die Deutschen zu eigen gemacht haben, bedeute angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine, sich entschlossen an die Seite der Opfer der Aggression zu stellen. Das gehöre zur Lehre, die die Deutschen aus der Geschichte gezogen hätten. Es nicht zu tun, hieße, sich der Gewaltherrschaft zu beugen – in diesem Fall der russischen, so Scholz.
Was tut Deutschland – und was nicht?
Scholz beginnt seine Aufzählung mit den „zivilen“Aspekten: Sanktionen und Flüchtlingsaufnahme. Erst an dritter Stelle nennt er die Waffenlieferungen, ohne allerdings konkret auf Art und Anzahl einzugehen. Scholz spricht nur von „großem Umfang“und „schwerem Gerät“. Seine Ankündigung „das setzen wir fort“dürfte bedeuten, dass die jüngsten Entscheidungen zu Panzern und Haubitzen keine Ausnahme bleiben werden. Gleichzeitig macht Scholz klar, dass er nicht „einfach alles“tun werde. Als Leitlinien wiederholt er die schon vielfach genannten Grundsätze, sich mit den Verbündeten abzustimmen, die Bundeswehr nicht durch zu viel Waffenspenden zu schwächen, bei den Sanktionen nicht sich selbst mehr zu schaden als Russland und schließlich die absolute rote Linie, wonach die Nato nicht Kriegspartei werden soll. Schließlich gelte es, einen Weltkrieg zu verhindern.
Sieht Scholz den Frieden außerhalb der Ukraine gefährdet?
In diesen Tagen höre Scholz häufig die Sorge, dass der Frieden auch in Deutschland in Gefahr gerate und dass sich der Krieg ausbreiten könnte. „Es wäre falsch, das einfach abzutun“, zeigt Scholz Verständnis. Er nehme die Sorgen der Bevölkerung ernst. Allerdings gelte gleichzeitig: „Angst darf uns nicht lähmen.“Wann der Krieg enden könnte, darüber mag der Bundeskanzler keine Prognose abgeben. Stattdessen gibt er sich kämpferisch: „Einen russischen Diktatfrieden soll es nicht geben“, sagt er. Den würden weder die Ukrainer „noch wir“akzeptieren.