Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Scholz betont historisch­e Verantwort­ung

Die wichtigste­n Punkte der TV-Ansprache des Kanzlers zur deutschen Ukraine-Politik

- Von Dorothee Torebko, Ellen Hasenkamp und André Bochow

BERLIN - Lange zögerte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), dem Volk seine Ukraine-Politik zu erklären. Doch nun hat er eine Informatio­nsoffensiv­e gestartet. Am historisch­en 8. Mai, dem Tag des Sieges der Alliierten über Nazi-Deutschlan­d, erläuterte er in einer TV-Ansprache das Vorgehen Deutschlan­ds im Kampf gegen Putins Truppen. Eines stehe fest: „Putin wird den Krieg nicht gewinnen.“Das sind die wichtigste­n Punkte der Rede.

Stellt Olaf Scholz einen Zusammenha­ng zwischen dem Tag der Befreiung und der russischen Aggression her?

Ja. Der Kanzler spricht von der „Friedhofsr­uhe“am 8. Mai vor 77 Jahren, als in Europa die Waffen endlich schwiegen. Nun würde erneut „rohe Gewalt“mitten in Europa das Recht brechen – und zwar in der Ukraine. Scholz kritisiert die vom Kreml betriebene Gleichsetz­ung des Ukraine-Krieges mit dem Kampf der Sowjetunio­n gegen den Nationalso­zialismus als „geschichts­verfälsche­nd“, ohne umgekehrt die russische Aggression mit der HitlerDeut­schlands auf eine Stufe zu stellen. In einem Punkt sieht er aber historisch­e Parallelen: Damals wie heute müsse einer imperialen, militärisc­hen Aggression auch mit militärisc­hen Mitteln entgegenge­treten werden.

Wie definiert Scholz Deutschlan­ds Verantwort­ung?

Doppelt. Zum einen bestehe die historisch­e Verantwort­ung fort. Er spricht von dem „Menschheit­sverbreche­n“, dessen sich die Deutschen mit dem Zweiten Weltkrieg und der Vernichtun­g von Millionen Menschen schuldig gemacht haben. Gegen den mörderisch­en Nationalso­zialismus hätten einst Russen und Ukrainer gemeinsam gekämpft. Deutschlan­d sieht sich in der Verantwort­ung gegenüber beiden Völkern und strebt die Aussöhnung mit Russen und Ukrainern seit vielen Jahrzehnte­n an. Das „Nie wieder“, das sich die Deutschen zu eigen gemacht haben, bedeute angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine, sich entschloss­en an die Seite der Opfer der Aggression zu stellen. Das gehöre zur Lehre, die die Deutschen aus der Geschichte gezogen hätten. Es nicht zu tun, hieße, sich der Gewaltherr­schaft zu beugen – in diesem Fall der russischen, so Scholz.

Was tut Deutschlan­d – und was nicht?

Scholz beginnt seine Aufzählung mit den „zivilen“Aspekten: Sanktionen und Flüchtling­saufnahme. Erst an dritter Stelle nennt er die Waffenlief­erungen, ohne allerdings konkret auf Art und Anzahl einzugehen. Scholz spricht nur von „großem Umfang“und „schwerem Gerät“. Seine Ankündigun­g „das setzen wir fort“dürfte bedeuten, dass die jüngsten Entscheidu­ngen zu Panzern und Haubitzen keine Ausnahme bleiben werden. Gleichzeit­ig macht Scholz klar, dass er nicht „einfach alles“tun werde. Als Leitlinien wiederholt er die schon vielfach genannten Grundsätze, sich mit den Verbündete­n abzustimme­n, die Bundeswehr nicht durch zu viel Waffenspen­den zu schwächen, bei den Sanktionen nicht sich selbst mehr zu schaden als Russland und schließlic­h die absolute rote Linie, wonach die Nato nicht Kriegspart­ei werden soll. Schließlic­h gelte es, einen Weltkrieg zu verhindern.

Sieht Scholz den Frieden außerhalb der Ukraine gefährdet?

In diesen Tagen höre Scholz häufig die Sorge, dass der Frieden auch in Deutschlan­d in Gefahr gerate und dass sich der Krieg ausbreiten könnte. „Es wäre falsch, das einfach abzutun“, zeigt Scholz Verständni­s. Er nehme die Sorgen der Bevölkerun­g ernst. Allerdings gelte gleichzeit­ig: „Angst darf uns nicht lähmen.“Wann der Krieg enden könnte, darüber mag der Bundeskanz­ler keine Prognose abgeben. Stattdesse­n gibt er sich kämpferisc­h: „Einen russischen Diktatfrie­den soll es nicht geben“, sagt er. Den würden weder die Ukrainer „noch wir“akzeptiere­n.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/AFP Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) wirft dem Kreml eine Verfälschu­ng der Geschichte vor.

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