Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Teurer Sprittransport
Die Dürre und ein Großbrand verteuern in Baden-Württemberg und Bayern den Sprit
Deutschlands zweitgrößtes Werk für Benzin, Diesel und Heizöl, die Miro-Raffinerie in Karlsruhe (Foto: imago), liegt am Rhein. Und weil zuerst Binnenschiffe einen Großteil des im Badischen produzierten Kraftstoffs transportieren, die Kähne aber wegen des Niedrigwassers auf Rhein und Neckar nicht voll beladen werden können, steigt der Spritpreis. Hinzu kommt, dass Bayern auch mehr in Karlsruhe kauft, weil eine ihrer Raffinerien in die Luft geflogen ist. Die Preisspirale dreht sich – und das obwohl der Preis für Rohöl fällt. (ben)
RAVENSBURG - Absurde Preiskapriolen, die auf den ersten Blick nur mit der Gier der Mineralölindustrie zu erklären sind: Die Preise für Rohöl sinken – von rund 85 Euro pro Barrel der Marke Brent Anfang Oktober auf nun etwa 65 Euro. Für Sprit müssen Autofahrer dagegen immer mehr bezahlen. Kostete der Liter Benzin im Januar im Schnitt 1,36 Euro, müssen Kunden vor allem in Bayern und Baden-Württemberg nun bis zu 1,60 Euro zahlen. Im Norden und Osten ist die Lage entspannter, Hamburger tanken zurzeit einen Liter Benzin für 1,43 Euro.
„Das ist eine sehr ungewöhnliche Situation“, sagt Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands, „aber sie ist erklärbar – denn im Westen und Südwesten kommt zum Transportproblem die steigende Nachfrage, eine Situation, die der Norden und Osten nicht hat.“Die sinkenden Pegelstände auf dem Rhein und dem Neckar erschwere die Logistik enorm. Der Brand in der Bayernoil-Raffinerie im bayerischen Vohburg, die immerhin ein Drittel des in Bayern benötigten Rohöls verarbeitet, habe zudem im gesamten süddeutschen Raum die Nachfrage erhöht, da das Werk nach der Explosion nicht mehr so viel Kraftstoff wie zuvor herstellen kann.
Die wichtigste Raffinerie für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und nach dem Unglück von Vohburg auch für Teile von Bayern ist die Miro-Raffinerie in Karlsruhe. Sie erhält ihr Rohöl über zwei Pipelines, die im Mittelmeer beginnen – über die Südeuropäische Pipeline vom französischen Fos-sur-Mer bei Marseille und über die Transalpine Pipeline vom italienieschen Triest. Im Badischen verarbeitet die zweitgrößte deutsche Raffinerie den Rohstoff dann zu Benzin, Diesel und Heizöl. Mehr als ein Viertel der Produktion bringen Binnenschiffe über Rhein und Neckar in flussnahe Tanklager in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. „Der momentane Engpass hat sich über Monate hinweg aufgebaut, die Lager leerten sich langsam und die Schiffe konnten wegen der sinkenden Pegel mit der Zeit immer weniger Kraftstoff aufnehmen“, erläutert von Gersdorff.
Wenn Schiffe, die normalerweise 2000 Tonnen transportieren, nur zu einem Drittel beladen werden können, steige der Stückgutpreis ernorm, erklärt Ingo Seeligmüller, der Sprecher des Verbands für Energiehandel Südwest-Mitte – und macht eine einfache Rechnung auf: Für ein durchschnittlich großes Binnenschiff von 2000 Tonnen Nutzlast, brauche man rund 80 Tanklastzüge der größten Kategorie. Solche Tranportkapazitäten könne man nicht kurzfristig auf der Straße und auf der Schiene zur Verfügung stellen. „So eine Situation, dass es so lange nicht geregnet hat, hatten wir meines Wissens noch nicht“, sagt Seeligmüller.
Niederschläge sind nicht in Sicht, kurzfristig wird Vohburg die Produktion nicht wieder vollständig aufnehmen, weshalb die Preise wohl vorerst nicht sinken. „Grundlegend ändern wird sich die Situation erst, wenn Rhein und Neckar wieder genug Wasser führen“, erläutert Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT). Den Vorwurf von Verbraucherschützern, dass die Tankstellen die aktuelle Situation ausgenutzt hätten, um ihre Profite zu erhöhen, weist Zieger zurück. „Die Einkaufspreise sind in dem Maße gestiegen wie die Verkaufspreise“, sagt der BFT-Geschäftsführer.
ADAC hat Zweifel an den Kosten
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) hat dennoch genau daran seine Zweifel. „Die Preisentwicklung ist aus unserer Sicht deutlich überhöht“, sagt ADAC-Sprecher Johannes Boos der „Schwäbischen Zeitung“. Die schwierige Logistik dürfte sich nicht so stark auf die Preise auswirken, wie es von den Mineralölkonzernen vorgegeben werde. Schließlich sei der Rohölpreis um mehr als 20 Prozent gefallen. „Den niedrigen Pegelstand der Flüsse haben wir auch nicht erst seit Oktober“, erläutert Boos.
Natürlich sei der Ölpreis gefallen, antwortet von Gersdorff auf den Vorwurf des ADAC, allerdings habe das die Effekte der höheren Transportkosten und der gestiegenen Nachfrage nicht ausgleichen können – womit die Standpunkte von Industrie und Autofahrerlobby so unvereinbar wären wie die aktuellen Benzinpreisentwicklungen ungewöhnlich.