Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Brüder im Geiste
Popikone Sting und Reggaemeister Shaggy führen in Salem unterschiedliche Ansätze zu einem Ganzen zusammen
SALEM - Es kommt vor, dass Sting von jungen Kollegen gefragt wird, wie er es denn geschafft habe? Darauf komme es nicht an, sagt der Weltstar dann. Wichtig sei, einfach immer weiter seine Musik zu machen und sich treu zu bleiben.
Der Mann hat gut reden: Ihn hat diese Haltung in 40 Schaffensjahren zum Multimillionär gemacht; fast alles, was er angepackt hat, mündete in grandiosem Erfolg. Schon in den 1980ern mit seinen Jugendfreunden Andy Summers und Stewart Copeland in der gemeinsamen Poprockband The Police war das so, und noch viel mehr, als er sich früh von den gemeinsamen Wurzeln löste.
Das Multitalent Sting wollte der Welt zeigen, dass er mehr drauf hat, als den Bass zu zupfen und gefällige Lieder über die Liebe zu schreiben und zu singen. Also verließ er The Police auf dem Höhepunkt ihrer Popularität und testete die Grenzen aus. Sting integrierte Elemente aus Jazz, Klassik und der Musik anderen Kulturen in sein Werk und garnierte es mit intelligenten Texten. Das hat ihm zehn Jahre lang maximalen Erfolg beschert. Er wurde zu einem der außergewöhnlichsten Solokünstler der Welt, mit Preisen für seine Komponierkunst überhäuft – und vielgelobt ob seines weltweiten humanitären Engagements, seinem Bekenntnis zum Pazifismus und Feminismus.
Immer noch experimentierfreudig
Der Erfolg hat dann ein wenig nachgelassen – ganz im Gegensatz zur Experimentierfreude. Deswegen steht Sting, vor 66 Jahren geboren als Gordon Sumner im englischen Newcastle, jetzt im Salemer Schlossgarten mit Shaggy, dem Mister Boombastic des Reggae, auf der Bühne. Erstmals seit der Zeit bei der Polizei gibt sich Sting, ganz ohne intellektuellen Überbau, wieder dem ungetrübten Spaß hin. Oder besser gesagt fast, denn Sting wäre nicht Sting, würde er nicht auch die Zusammenarbeit mit dem 17 Jahre jüngeren Reggaestar dazu nutzen, um für ein friedliches Miteinander der Kulturen, Religionen, Geschlechter und Rassen zu werben.
Die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Persönlichkeiten haben neben der Liebe zum Reggae weitere Gemeinsamkeiten entdeckt. Bei der Aufnahme des im April veröffentlichten Albums 44/876, dessen Titel sich aus den Ländervorwahlen Englands und Jamaikas zusammensetzt, sind der feingeistige Engländer und der Bühnenmacho Orville Burrell, geboren in Kingston und für die USA Soldat im zweiten Golfkrieg, dem Vernehmen nach Freunde geworden. Beide sind Millionäre, leben in New York, haben einen Sack voll Kinder (sechs und fünf) und eine prägnante Stimme. Da gibt’s schon ein paar Themen, die verbinden. Die bekannte US-Schauspielerin Whoopie Goldberg hat das in einer USFernsehshow ganz einfach ausgedrückt: „Euch beide zusammen zu sehen, ist wunderbar, weil ich weiß, dass ihr immer versucht habt, die Welt besser zu machen.“
In Salem ist das den beiden vortrefflich gelungen. Wer der Chef ist auf der Bühne, ist unstrittig, auch wenn Shaggy die Interaktion mit dem Publikum übernimmt: Alles beginnt und endet mit Sting. Zwischen seinen weltberühmten „Englishman in New York“und den berührenden Schlussakt „Fragile“haben die beiden Hauptdarsteller 27 weitere Titel zu einem verblüffend homogenen, kurzweiligen, intelligent choreografierten Auftritt zusammengepackt, der die 5000 Fans im Schlosspark nach knapp zwei Stunden begeistert in die Sommernacht entlässt.
In erstklassigem, transparentem Klangbild präsentieren Sting und Shaggy sechs Police-Klassiker, sieben überragende Songs von Sting wie „Fields of Gold“, „Shape of My Heart“oder „Desert Rose“, Shaggys große Hits „Boombastic“, „It Wasn’t Me“und „Hey Sexy Lady“sowie einen Großteil ihres aktuellen Albums. So harmonisch, aus einem Guss, als hätten die aus sechs Musikern zusammengewürfelte Tourband und die beiden so gegensätzlichen Sänger nie was anderes gemacht als diesen Stilmix. Ein Heidenspaß für alle Beteiligten. Nachdem die 5000 Fans andächtig der grandiosen Ballade „Fragile“gelauscht haben, hat Shaggy das Schlusswort: „Applaus für Sting, den Besten, dem ich mich je gewidmet habe.“