Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bedrohung aus der Mitte
In Teilen unserer Gesellschaft gärt es. Und das so stark, dass sich Menschen gegen den Staat wenden. Einige sind sogar bereit, Politiker und Mitbürger zu töten. Die Unzufriedenen werden zur Bedrohung. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht zeigt: Die Gefahr kommt nicht mehr nur aus den klassischen linksund rechtsextremen Lagern.
Da sind zum einen die Reichsbürger. Sie lehnen die Bundesrepublik ab, mit absurden Argumenten. Doch sie alle als Spinner abzutun, greift zu kurz. Unter den Anhängern sind Bürger, die sich unverstanden und benachteiligt fühlen. Und das, obwohl doch vieles gut läuft. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Wirtschaft boomt, die Staatskassen sind prall gefüllt. Aber es gibt sie, die Abgehängten: Alleinerziehende, Familien, die sich teure Wohnungen nicht leisten können, Geringverdiener mit mehreren Jobs. Andere fühlen sich trotz guter Einkommen unverstanden. Ihr Lebensmodell scheint ihnen in Zeiten von Patchworkfamilien und offenen Grenzen bedroht.
Abgehängt fühlen sich auch andere: Migranten, die seit Jahren in Deutschland leben oder hier geboren wurden. Die Salafisten-Szene speist sich unter anderem aus frustrierten Muslimen, die in der Mehrheitsgesellschaft nicht angekommen sind. Sie lehnen die Grundfesten jenes Landes ab, in dem sie leben.
Warum sich Menschen abgehängt fühlen, ist verschieden. Eines eint sie. Sie glauben: „Wir dürfen unsere Kritik nicht äußern, weil es dem politischen Mainstream nicht entspricht.“Das ist bedenklich. Es mag liberal Gesinnten weh tun, wenn die Furcht vor dem Fremden lauter wird. Es mag Konservativen nicht gefallen, wenn Migranten das neue Heimatland kritisieren. Doch Debatten gehören zur Demokratie. Deswegen muss man sie aushalten. Wir brauchen keine linken Belehrungen darüber, was man sagen darf. Wir brauchen keine rechten Bedrohungsszenarien über den Untergang des Abendlandes. Wir brauchen ehrliche Diskussionen und Lösungen für Probleme der Gesellschaft. Alles andere stärkt jene, die mit gefühlten Wahrheiten Politik machen.