Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Altkönig und die Korruption
Deutsche Freundin erzählt in vertraulichem Gespräch über Juan Carlos von Geldwäsche
MADRID - Die Frage ist brisant: Hat Spaniens alter König Juan Carlos als Staatschef Schmiergelder kassiert? Und versteckte er einen Teil seiner Reichtümer vor dem spanischen Finanzamt? Diesen Verdacht legen vertrauliche Aussagen von Juan Carlos’ ehemaliger deutscher Freundin und Beraterin Corinna zu Sayn-Wittgenstein nahe, die nun in Form einer Tonaufzeichnung spanischen Medien zugespielt wurden. Sollten sich die Enthüllungen als wahr erweisen, könnte der 80-jährige König im Ruhestand, der 2014 abdankte, auf der Anklagebank landen.
Spaniens Hof schweigt zu den neuen Vorwürfen, die zu einer Unzeit kommen: König Felipe, der vor vier Jahren die Krone von seinem Vater übernahm, hat es gerade geschafft, den Ruf der Monarchie aufzupolieren. Und er hatte gehofft, dass die Liebesaffären und Skandale seines Vaters, die dem Königshaus in der Vergangenheit viel Schaden zufügten, endlich in Vergessenheit geraten. Doch nun braut sich ein neuer Skandal um den Altkönig zusammen, der alles Bisherige in den Schatten stellen könnte.
„Er unterscheidet nicht zwischen dem, was legal ist und was illegal ist“, lautet eine der Aussagen von jener Frau, die mehrere Jahre als „amiga“und Vertraute von Juan Carlos galt und heute 53 Jahre alt ist. Dass die blonde Geschäftsfrau eine besondere Rolle in Juan Carlos’ Leben spielte, erfuhr die Welt im Jahr 2012. Damals brach sich Ihre Majestät im afrikanischen Botswana die Hüfte – und zwar bei einem Stolperunfall während einer Elefantenjagd. Als seine Begleiterin wurde aber nicht die ihm angetraute Königin Sofía identifiziert, sondern Corinna zu Sayn-Wittgenstein.
Nach der verunglückten Großwildjagd, mit der sich Juan Carlos viele Sympathien verscherzte, ging es wohl auch mit der langjährigen Beziehung zu Sayn-Wittgenstein bergab. Eine Beziehung, die vorübergehend so eng war, dass Juan Carlos laut Sayn-Wittgenstein versichert haben soll: „Ich werde dich heiraten.“
Doch das war schon Geschichte zu jenem Zeitpunkt, als sich die Deutsche im Jahr 2015 gegenüber einem hochrangigen spanischen Polizeioffizier beklagte, dass sie von Spaniens Geheimdienst unter Druck gesetzt werde. Und dass man sie mit Drohungen dazu bewegen wolle, für den König höchst peinliche Dokumente zu vernichten. Der Polizist nahm das vertrauliche Gespräch offenbar ohne Wissen der Betroffenen auf und spielte es nun den Medien zu. Vermutlich aus Rache, weil er derzeit selbst wegen mutmaßlicher illegaler Geschäfte in U-Haft sitzt.
Untersuchungsausschuss gefordert
In diesen Audioaufzeichnungen berichtet Sayn-Wittgenstein zum Beispiel, dass sich Juan Carlos im Jahr 2012 in Saudi-Arabien dafür stark gemacht habe, den Bau einer Schnellzugstrecke einem spanischen Konsortium zuzuschlagen, das dann auch tatsächlich den Auftrag erhielt. Im Gegenzug habe der damalige Staatschef, so hört man auf dem Audioband, auf einer millionenschweren Kommission bestanden, die ihm über Umwege und mit Hilfe eines Schweizer Anwalts auch zugekommen sei.
Sayn-Wittgenstein beklagt sich in dem Gespräch zudem, dass Juan Carlos ihren Namen und ihre Bankkonten benutzt habe, um fragwürdige Zahlungen und ausländisches Immobilieneigentum zu verschleiern. Sie habe ihn darauf hingewiesen, dass diese Praktiken den Tatbestand der Geldwäsche erfüllen könnten. Auch ein Neffe von Juan Carlos sei als Strohmann für geheime Schweizer Konten des Königs benutzt worden. Zudem berichtet sie, dass Juan Carlos tief in jenen Betrugs- und Korruptionsskandal verstrickt gewesen sei, für den der königliche Schwiegersohn Iñaki Urdangarin vor Kurzem zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt worden ist.
Dass es Juan Carlos mit dem vorbildlichen Verhalten nicht so genau nahm, ahnte man in Spaniens Öffentlichkeit schon ziemlich lange. Doch bis zu seiner Abdankung im Jahr 2014 genoss er Immunität, die ihn vor Ermittlungen bewahrte. Diesen Schutz hat er nun nicht mehr. Nach dem Auftauchen dieser brisanten Aufzeichnungen ist es deshalb schwer vorstellbar, dass keine strafrechtlichen und steuerlichen Untersuchungen gegen Juan Carlos anlaufen werden.
Spaniens linksalternative Protestpartei Podemos verlangt mittlerweile einen Untersuchungsausschuss im Parlament. Und Spaniens Steuerbeamten-Gewerkschaft Gestha forderte die Justiz und das Finanzamt auf, gegen König Juan Carlos wegen des Verdachts des Steuerbetrugs und der Geldwäsche zu ermitteln.