Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Sportfest im Zeichen der Fehlernährung
Die gute Nachricht ist: Fußballspielen bedeutet, mächtig viele Kalorien zu verbrennen. Ein handelsüblicher Nationalspieler verbrät auf der Jagd nach dem Ball in 90 Minuten bis zu 2000 Kalorien. Die schlechte Nachricht ist: Wenn ein sportbegeisterter Zuschauer vor dem Fernseher drei Bier und eine Tüte Chips sowie eine Tafel Schokolade als dringend benötigte Nervennahrung zu sich nimmt, so hat er bereits mehr Energie aufgenommen, als die Helden auf dem Rasen in der regulären Spielzeit plus Verlängerung verbrennen können.
Mit der Weltmeisterschaft im fernen Land beginnen daheim auch immer wieder die Festspiele der bizarren Widersprüche: Einerseits ist Sport in aller Munde und vielleicht lassen sich ein paar Sofakartoffeln (Couch-Potatoes) dazu hinreißen, einem Fußballverein beizutreten, um den Idolen im Kickerdress zur Förderung der eigenen Gesundheit hinterherzulaufen. Andererseits dient das Sportgroßereignis vor allem dazu, möglichst ungesunde Fressalien und nicht zuletzt Alkohol in den Markt zu pumpen. Die dabei oft marionettenhaft wirkenden Botschafter der Fehlernährung tragen die glorreichen Namen der Nationalmannschaft – und damit sind ausdrücklich nicht die Werbeverträge gemeint, die der DFB ohne Einfluss der Spieler abschließt. Ansonsten gilt offenbar: Keine Summe scheint zu klein oder zu groß, als dass sie nicht auch noch auf den Millionenhaufen dieser Herren landen könnte – ganz egal ob es um Cola, Chips oder fetttriefende Hamburger geht: Das Grinsen der Fußballstars zeigt schon den Kleinsten: „Hey, zieh dir die Tüte Flips ruhig rein, vergiss nicht, alles mit ordentlich Limo runterzuspülen. Dann bist du wie wir, dann wirst du einer von uns.“
Und sage jetzt bitte niemand, dass Reklame auf so platte Art und Weise nicht funktioniert und keiner darauf reinfällt, weil ja eh jeder über dieses zweifelhafte Essen Bescheid weiß. Wenn es wirklich so wäre, dann würden sich die Hersteller all dieser Überflüssigkeiten nicht wie wahnsinnig dagegen stemmen, dass eine simple Lebensmittel-Ampel noch dem Unbelecktesten deutlich macht: Kartoffelchips sind kein knuspriges Gemüse, sondern ein fettiger Beitrag zu einem ganzen Strauß gesundheitlicher Risiken.
Ganz davon abgesehen, ist es einfach nervtötend, auf Schritt und Tritt von Kickern zum Kauf von irgendwelchen Sachen animiert zu werden, die mit Fußball so viel zu tun haben, wie Donald Trump mit feinsinniger Selbstironie.
Am Ende stört das aber niemanden besonders, weil ja auch die Fifa selbst ein Verein dem Gelde nicht abgeneigter Funktionäre ist, deren Hauptfunktion neben dem Kassieren bis jetzt keiner so richtig verstanden hat. Es lebe der Sport!
Eigentlich wäre das hier die richtige Stelle, um von Fußballstars zu berichten, die bei diesen Reklame-Festspielen nicht mitmachen. Unter den Namen, die man kennt, gibt es keinen. Und die, die sich vielleicht verweigern, kennt man nicht. Oder sie haben gar nicht erst einen Werbevertrag angeboten bekommen.
Ist diese Kritik vielleicht bloß Ausdruck von Neid – und Werbefiguren tragen überhaupt keine Verantwortung für das Produkt, das sie Leuten verkaufen, die an sie glauben? Möglich. Aber wer, wenn nicht Fußballstars, könnten es sich finanziell leisten, ein bisschen moralisch zu sein?
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