Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Trump beendet die Trennung von Einwandererfamilien
US-Präsident rückt nach massiver Kritik von umstrittener Praxis ab – Kinder sollen künftig bei ihren Eltern bleiben
WASHINGTON (dpa/herr) - Nach empörter Kritik an der Trennung von Migrantenfamilien an der Grenze zu Mexiko hat US-Präsident Donald Trump das Ende dieser Praxis angeordnet. Er unterzeichnete am Mittwoch ein entsprechendes Dekret. Er wolle „Familien zusammenhalten.“Schon Stunden zuvor hatte er diesen Schritt angekündigt und dies mit „Mitgefühl“begründet.
Zuletzt hatten die US-Behörden an der Südgrenze zu Mexiko die Familien von illegal eingewanderten Menschen aus Süd- und Mittelamerika konsequent getrennt. Nach USRechtsprechung ist die Inhaftierung von Kindern gemeinsam mit ihren Eltern bisher nicht ohne weiteres möglich. Mehrere Gesetzentwürfe, die dies ändern sollen, hatten bisher keine parlamentarische Mehrheit ge- funden. Eine Abstimmung ist nun am heutigen Donnerstag geplant.
Zuvor war klar geworden, dass es auch in Trumps Partei, bei zahlreichen republikanischen Senatoren, massive Widerstände gegen die Praxis der Trennung von Eltern und Kindern gibt. Selbst evangelikale Geistliche, normalerweise eine feste Stütze des Präsidenten, übten Kritik. Franklin Graham, Sohn des verstor- benen Fernsehpredigers Billy Graham, sprach von einer Schande. Auch international herrschte Empörung. Unter anderem hatte Papst Franziskus erklärt, die Vorgehensweise der US-Grenzbehörden sei unmenschlich und nicht akzeptabel.
Weltweite Kritik musste die Trump-Regierung auch für ihren Ausstieg aus dem UN-Menschenrechtsrat einstecken.
LOS ANGELES - G-7-Gipfel, Handelskrieg und der Streit um nicht zutreffende Tweets über Merkels Flüchtlingspolitik – Donald Trump macht es den Deutschen zur Zeit nicht leicht. Doch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will die transatlantische Freundschaft auch in schwierigen Zeiten nicht vernachlässigen. „In Beziehungen, die einem wichtig sind, muss man investieren“, sagt er bei seinem Besuch in Kalifornien. Der Bundespräsident ist bei der ersten Reise seiner Amtszeit in die USA nicht nach Washington, sondern an die Westküste gereist. Es ist kein TrumpLand, Kalifornien ist von den Demokraten regiert. Und hier, im Westen der USA, teilen viele Steinmeiers Sorgen wegen der Risse im transatlantischen Bündnis.
Der Gründungsdirektor des frisch eröffneten Thomas-Mann-Hauses, Steven Lavine, hat im Getty-Center nach der Rede Frank-Walter Steinmeiers Tränen in den Augen. Denn Steinmeier hat unter Berufung auf Thomas Mann zum Kampf um die Demokratie aufgerufen.
Er nimmt diesseits und jenseits des Atlantiks die gleichen Gefahren wahr. Das Schlechtreden der Demokratie zum Beispiel, den Schlachtruf der Populisten gegen das Establishment. Der Bundespräsident wendet sich deshalb mindestens so viel an die Deutschen wie an die Amerikaner. „Heute ist es an uns, nicht zuzulassen, dass die Verächtlichmachung von Demokratie wieder bequemer wird, als für sie einzustehen.“
Steinmeier fordert die in Deutschland und den USA beschimpften Eliten auf, sich nicht aus der Politik zurückzuziehen, sondern gegen solche Tendenzen anzugehen. Steinmeier vermeidet, Trump als Populisten für die Bedrohung der Demokratie, für den drohenden Riss der transatlantischen Beziehungen verantwortlich zu machen. Er sieht die Ursachen vielfältiger. Ein Grund sei die Hinwendung der Amerikaner zum pazifischen Raum. Die Dynamik der Weltwirtschaft verschiebe das Interesse von Europa weg zu anderen Räumen.
Warnung vor sozialer Spaltung
Gefahren für die Demokratie macht Steinmeier auch in dem Auseinanderdriften der Gesellschaft aus. Nicht von ungefähr besucht er in San Francisco die St. Anthony’s Mission und eine Kirche, die Obdachlosen die Möglichkeit gibt, in Sicherheit zu schlafen. In der reichen Umgebung des Silicon Valley und in San Francisco sind Mieten für manche schon unerschwinglich geworden, Obdachlose und Arme bestimmen immer mehr das Straßenbild. Laut dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush ist Kalifornien der Ort, „wo die Zukunft zuerst passiert.“Grund genug, sich hier zu engagieren. Gefahren für die Demokratie birgt laut Steinmeier auch eine technologische Ent- wicklung, die nicht nur die ordnende Kraft des Staates auf die Probe stellt, sondern menschliches Denken und Handeln überhaupt. Steinmeier hat in seiner Delegation den Blogger Sascha Lobo dabei, der eine Marke für den digitalen Wandel geworden ist. Im Silicon Valley tauscht sich der Bundespräsident mit Experten der Stanford University aus. Schnell wird deutlich: Die Herausforderungen vom selbstfahrenden Auto bis zur digitalen Medizin sind von Stuttgart bis Stanford die gleichen. Doch die Amerikaner sind optimistischer, sie bestehen zu können. Sascha Lobo befürchtet, dass die Debatte um digitalen Fortschritt in Wahrheit eine Kapitalismusdebatte ist, die bei künstlicher Intelligenz noch stärker ausbrechen könne. Ein alter Bekannter von Steinmeier, der 97-jährige frühere US-amerikanische Außenminister George P. Shultz denkt darüber nach, wie künstliche Intelligenz die Politik verändern wird.
Trump als Symptom
Steinmeier trifft auf seiner Kalifornienreise immer wieder auf Deutsche. Im Thomas-Mann-Haus ohnehin, aber auch an der Universität Stanford. Und am Abend wird als freundliches Willkommen das Rathaus von San Francisco in den deutschen Farben angestrahlt.
Auch Amerika braucht Partner, hat Steinmeier in seiner Rede bei der Konferenz „struggle for democracy“gesagt. „Doch Amerika kann solche Partnerschaft nur erkennen, wenn es im Westen mehr sieht als eine Himmelsrichtung und in der Welt mehr als einen Boxring, in dem jeder gegen jeden kämpft.“
An der Westküste ist Steinmeier herzlich willkommen. Doch bis zur Ostküste scheint es ein weiter Weg zu sein. Die derzeitige Präsidentschaft der USA, so weit hat sich Steinmeier denn doch mit Kritik an Trump hinausgewagt, erscheine „nicht als Ursache, sondern auch als Symptom der gesellschaftlichen Fliehkräfte.“