Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gute Freundinnen vergleichen sich nicht
„...eine tiefe, doch nicht immer leichte Beziehung“: Autorin über „Frauenfreundschaft“
LAICHINGEN (sz) - Auf Einladung von Stadtbücherei und Volkshochschule war Susann Sitzler, renommierte Buchautorin und Kultur-Journalistin aus Berlin, am vergangenen Donnerstag zu einer Lesung im Alten Rathaus. Der Saal war nahezu voll. Dem Titel geschuldet war ausschließlich weibliches Publikum gekommen: Es ging um „Freundinnen – Was Frauen einander bedeuten“, das gleichnamige Buch ist dieses Jahr im Wissenschaftsverlag Klett-Cotta erschienen.
Das Buch gründet sich einerseits auf persönliche Erfahrungsberichte und Interviews und andererseits auf wissenschaftliche Studien zu „Freundschaft“. So beleuchtete Susann Sitzler, 48, sehr unterschiedliche Facetten von Frauenfreundschaften und vermied alle Klischeehaftigkeit, wie sie etwa in der Serie „Sex in the City“gezeichnet wird, die in materiell gesichertem Umfeld spielt, mit beruflich erfolgreichen Protagonistinnen, weit weg von Alltagssorgen und Zeitnöten.
Die Autorin wählte eine erzählende, essayistische Ebene und stellte zunächst heraus, dass „Freundin“im Gegensatz zu „Schwester“, „Kollegin“, „sehr gute Bekannte“eine schwer abgrenzbare Beziehung andeute. Schon ganz jung suchten Mädchen die „beste Freundin“, nach oft unbewussten Kriterien – „Sie war, was ich sein wollte“, „Ich war damit ausgelastet, sie bei Laune zu halten.“
Ein Prüfstein der Freundschaft könne sein, ob das Verhältnis gegenseitig sei, gekennzeichnet von „Verlässlichkeit“, „Treue“, „Verbindlichkeit“, „Rat“, „Trost“.
Studien stellten Unterschiede zwischen Männer-und Frauenfreundschaften fest. „Nähe“geben 53 Prozent der Frauen als wichtigstes Kriterium an, bei Männern sind’s nur 38 Prozent
Empfehlerinnen für Autos
Die „Werbeindustrie“hat Freundinnen entdeckt und gebraucht sie als Empfehlerinnen für Autos – oder „Diätsalami“. Ein kritischer, nicht zu vernachlässigender, Aspekt zwischen Frauen sei, dass sie oft zu „Rivalität“und „sich-vergleichen“neigen. Zu „guter Freundschaft“zwischen Frauen gehöre daher, so das Fazit der Autorin, „freiwillig auf Vergleiche zu verzichten“.
Wie wichtig ist Ähnlichkeit für eine Freundschaft? Nach Susann Sitzler „sehr wichtig“, denn „wir reagieren auf gefühlte Nähe“. Und da unser „emotionales Kapital“begrenzt sei, wählten wir sehr genau aus, mit wem wir wie viel Zeit verbringen und welche Kommunikationswege wir wählen: persönlich, Telefon oder Mail? Stimmig für Aufrechterhaltung oder Bruch einer Freundschaft sei durchaus eine materialistisch anmutende „Austauschtheorie“: Steht der Ertrag in sinnvollem Verhältnis zum Aufwand?
Jedoch spielten natürlich auch die „gemeinsamen Erfahrungen“eine Rolle und die Dauer einer Freundschaft. Letztendlich sei jedoch ausschlaggebend für die Tiefe einer Freundschaft die „Selbstoffenbarung“, nur sie überwinde die Fremdheit. Susann Sitzler: „Man bietet an, gemeinsam auf eine Straße einzubiegen.“Die Selbstoffenbarung in einer Freundschaft sei zwiespältig, könne zu „Vertrauen und Nähe“führen, aber genauso zu „Kummer und Schmerz“.
Susann Sitzler beschreibt in ihrem Buch am Beispiel einer langjährigen Freundschaft, die einem Bruch ausgesetzt war, wie hilfreich es sei, Freundschaften nicht zu überfordern, bei unvermeidbaren Konfliktgesprächen „das Herz zu erreichen“(„der Munitionsraum bleibt zu“), sich etwa einer tiefen Verbundenheit bewusst zu werden oder aber zu erkennen, dass eine „Freundschaft sich überlebt hat“. Mit zunehmendem Alter spüre man auch besser, ob man nur ausgenutzt werde, nur „seelischer Mülleimer“sei, und man wisse das Gefühl viel mehr Wert zu schätzen, „unkompliziert verstanden zu werden und anknüpfen zu können“.
Zahlreiche intensive Redebeiträge und Fragen des Publikums schlossen sich an den Vortrag an, bei dem sich Susann Sitzler als kluge, sensible und aufmerksame Gesprächspartnerin erwies mit feiner, differenzierter und ausdrucksvoller Sprache. Trotzdem blieben auch manche Fragen offen, etwa die, ob es tiefe platonische Freundschaft zwischen Männern und Frauen tatsächlich geben könne. Immerhin sagten laut einer Studie zehn Prozent aller Frauen, dass ihre beste Freundin „ein Mann“sei.