Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ankara sendet versöhnliche Signale
Türkischer Außenminister Cavusoglu will Beziehungen zu Deutschland verbessern
ISTANBUL - Die türkische Regierung verstärkt ihre versöhnlichen Signale in Richtung Deutschland und EU. Zuerst lobte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine Politikerkollegen in Europa, die er noch vor Monaten mit Nazi-Vergleichen belegt hatte, als „alte Freunde“. Jetzt meldet sich Außenminister Mevlüt Cavusoglu ebenfalls mit versöhnlichen Worten, die sogar eine sanfte Kritik am Umgang der eigenen Justiz mit dem deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel enthalten. Die rhetorischen Kehrtwenden in Ankara sind Ausdruck innenpolitischer Überlegungen – bei Bedarf wird die Türkei zu scharfen Tönen zurückkehren.
Im neuen Jahr strebt die ErdoganRegierung unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen eine Normalisierung der Beziehungen mit Europa an. In seinem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa wirbt Außenminister Cavusoglu ausdrücklich um neues Vertrauen deutscher Urlauber, deren Zahl in den vergangenen Jahren zeitweise von mehr als fünf Millionen auf unter vier Millionen abgesackt war. Die Entscheidung Berlins, wegen der Inhaftierung von Bundesbürgern in der Türkei die Hermes-Kredite für Geschäfte mit dem EU-Bewerberland zu begrenzen, macht Ankara ebenfalls Sorgen. Nun sagte Cavusoglu, er hoffe darauf, dass 2018 „ein besseres Jahr“sein werde, als es 2017 war.
Das neue Jahr dient Erdogan als Vorbereitungsphase für das Superwahljahr 2019, in dem Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen anstehen. Einige Oppositionspolitiker vermuten sogar, dass die Parlamentswahlen auf den Sommer dieses Jahres vorgezogen werden könnten. Eine Erholung der Beziehungen zu Deutschland sei für die Regierung ganz besonders wichtig, schrieb der Kommentator Murat Yetkin in der „Hürriyet Daily News“. Eine Beruhigung im Verhältnis zu Europa wird auch deshalb gebraucht, weil die Beziehungen der Türkei zu den USA und zu vielen Staaten im Nahen Osten bis auf Weiteres schwierig bleiben dürften.
Erdogan besucht bald Paris
Cavusoglus Aussage, auch er sei nicht glücklich über die Tatsache, dass es fast ein Jahr nach Yücels Festnahme immer noch keine Anklageschrift gegen den Journalisten gibt, gehört zu den türkischen Bemühungen um eine Wiederannäherung. Dasselbe gilt für seine Versicherung, die Türkei werde sich an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg halten, von dem bald eine Entscheidung über Yücel und andere inhaftierte Journalisten erwartet wird. Im vergangenen Jahr war es Cavusoglu, der mit versöhnlichen Aussagen zum Fall des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner eine Wende im Umgang mit einigen inhaftierten Bundesbürgern markierte.
Auch im Verhältnis zu anderen wichtigen EU-Staaten will Ankara einen Neuanfang. Erdogan wird in wenigen Tagen in Paris erwartet – es wird sein erster Besuch in Frankreich seit zwei Jahren sein.
In dem Interview machte Cavusoglu aber auch deutlich, dass die türkische Führung wieder auf Eskalation setzen kann, wenn es ihr geboten erscheint. Wenn Deutschland einen Schritt auf die Türkei zugehe, werde sein Land mit zwei entgegenkommenden Schritten antworten, sagte er. „Drohungen“aus Berlin würden jedoch nicht hingenommen.