Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Steinmeier warnt vor Mauern aus Wut
Präsident sagt Bürgern, Migranten und Abgeordneten, was zum „Deutsch-Sein“gehört
MAINZ (dpa/epd/KNA) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Tag der Deutschen Einheit vor neuen Mauern in der Gesellschaft gewarnt. Er forderte zugleich eine ehrliche Flüchtlingspolitik. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hob in Mainz die Verantwortung Deutschlands auf internationaler Ebene hervor. Man könne dankbar sein, dass die Wiedervereinigung in Frieden geglückt sei, sagte Merkel am Rande des Festakts. Daher trage Deutschland auch eine besondere Verantwortung für Europa und für eine bessere Entwicklung weltweit.
„Die große Mauer quer durch unser Land ist weg“, sagte Steinmeier am Dienstag bei der zentralen Feier am Tag der Deutschen Einheit. Mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl betonte der Bundespräsident jedoch: „Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut“seien bei manchen in Deutschland so fest geworden, dass Argumente nicht mehr durchdrängen. Der Bundespräsident forderte Argumente statt Empörung – vor allem bei der Flüchtlingspolitik. „Die Not von Menschen darf uns niemals gleichgültig sein“, sagte er, verwies aber auf begrenzte Möglichkeiten zur Aufnahme von Flüchtlingen. Notwendig sei ein ehrlicher Umgang mit dem Thema. Dazu gehöre die Frage, „welche und wie viel Zuwanderung wir wollen und vielleicht sogar brauchen“.
Steinmeier bezeichnete in Mainz das Bekenntnis zur deutschen Geschichte als unverhandelbar: „Die Lehren zweier Weltkriege, die Lehren aus dem Holocaust, die Absage an jedes völkische Denken, an Rassismus und Antisemitismus, die Verantwortung für die Sicherheit Israels – all das gehört zum Deutsch-Sein dazu“, sagte er. Dieses Bekenntnis erwarte er auch von Zuwanderern und erst recht von Abgeordneten des Deutschen Bundestages. „Die Verantwortung vor unserer Geschichte kennt keinen Schlussstrich“, fügte der Bundespräsident hinzu.
Um mögliche Terroranschläge zu verhindern wurden die Feierlichkeiten in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt von immensen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. An den Zufahrtsstraßen zur Festzone wurden Betonsperren platziert. Insgesamt waren mehr als 7000 Polizeibeamte aus fast allen Bundesländern im Einsatz.