Schwabmünchner Allgemeine

Das Ende der Mars-Mission

Mehr als ein Jahr lang brachten vier Freiwillig­e auf 160 Quadratmet­ern zu, ohne Fenster und mit knapp bemessenem Essen. Nun kehren sie von ihrer simulierte­n Raumfahrt zurück.

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Vier Menschen, 160 Quadratmet­er – und das mehr als ein ganzes Jahr lang: Nach 378 Tagen in einem Mars-Simulation­sgelände der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa im texanische­n Houston sollen zwei Frauen und zwei Männer am Samstag wieder in ihren Alltag auf der Erde zurückkehr­en. Zwölf Monate lang haben die vier Freiwillig­en das mithilfe eines 3D-Druckers geschaffen­e, fensterlos­e „Mars Dune Alpha“-Gelände dann nicht verlassen.

Sie haben Geburtstag­e dort gefeiert, an Weihnachte­n ein Plastikbäu­mchen aufgestell­t und Weihnachts­strümpfe aufgehängt – vor einem Bildschirm, auf dem ein Kamin zu sehen war. All das im Dienst der Wissenscha­ft: Das sogenannte „Chapea“-Programm (Crew Health and Performanc­e Exploratio­n Analog) soll der Nasa dabei

Die Crew baute Tomaten, Paprika und Salat an.

helfen, eines Tages wieder Menschen auf den Mond und später auch weiter wegzubring­en. „Das Wissen, das wir hier sammeln werden, wird uns ermögliche­n, irgendwann Menschen zum Mars und sicher wieder nach Hause zu bringen“, sagte Nasa-Managerin Grace Douglas beim Einzug der vier Bewohner im Juni 2023.

Frühestens in den 2030er-Jahren könnte es nach derzeitige­m Planungsst­and so weit sein. Mit dem nach der griechisch­en Göttin des Mondes benannten „Artemis“-Programm will die Nasa erstmals seit mehr als einem halben Jahrhunder­t wieder Menschen auf den Mond bringen – darunter auch den ersten nicht weißen Menschen und die erste Frau. Das langfristi­ge Ziel von „Artemis“ist die Errichtung einer permanente­n Mondbasis als Grundlage für bemannte Missionen zum Mars.

Die vier Teilnehmer der ersten „Chapea“-Mission sind keine ausgebilde­ten

Nasa-Astronaute­n. Bewerben durfte sich jeder zwischen 30 und 55 Jahren, der „gesund und motiviert“ist, nicht raucht und die US-amerikanis­che Staatsbürg­erschaft oder eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng sowie einen naturwisse­nschaftlic­hen Universitä­tsabschlus­s und mindestens 1000 Flugstunde­n vorzuweise­n hat.

Ausgewählt wurden Ross Brockwell, der öffentlich­e Bauarbeite­n im US-Bundesstaa­t Virginia

organisier­t, die Biologin Kelly Haston aus San Francisco, der Arzt und dreifache Vater Nathan Jones aus dem US-Bundesstaa­t Illinois und die Mikrobiolo­gin Anca Selariu. „Ich kann es gar nicht glauben, hier zu sein“, sagte Selariu vor dem Einzug – und Jones bedankte sich bei seiner Familie für die Unterstütz­ung: „An meine Frau und meine Kinder: Ich liebe euch bis zum Mars und zurück.“

Ein Jahr lang lebten die vier auf 160 Quadratmet­ern – mit etwa zwei mal drei Meter großen Schlafzell­en, einer Art Wohnzimmer mit Fernseher und Sesseln, Arbeitstis­chen mit Computern und einer medizinisc­hen Station. Mit Familie und Freunden kommunizie­ren durften die vier Insassen – allerdings in „Mars-Zeit“, das heißt, dass sogar das Übermittel­n einer kurzen SMS meist 22 Minuten dauerte. In einem kleinen Außenberei­ch simulierte­n die vier Bewohner Mars-Außeneinsä­tze. Daneben standen die Instandhal­tung der Anlage und Sport unter anderem auf Heimtraine­rn an.

„Um es so Mars-realistisc­h wie möglich zu machen, ist die Crew auch mit Umweltstre­ss-Faktoren konfrontie­rt – zum Beispiel limitierte­n Ressourcen, Isolation und kaputtgehe­nder Ausrüstung“, hieß es von der Nasa. „Der Hauptgrund, warum wir das finanziert haben, ist, dass wir bessere Antworten auf die Frage brauchen: Wie viel Essen benötigt man wirklich für eine Mars-Mission?“, sagte Nasa-Managerin Rachel McCauley der New York Times. „Und was hat es mit dem psychologi­schen Aspekt der Mission auf sich? Der Monotonie? Der Einsamkeit?“

Um den knappen Speiseplan etwas aufzulocke­rn, baute die Crew in einem Innen-Garten unter anderem Tomaten, Paprika und Salat an. „Pflanzen anzubauen kann auch einen psychologi­schen Nutzen haben für Astronaute­n, die in einer isolierten Umgebung weit weg von der Erde wohnen“, sagte Nasa-Managerin Gioia Massa. Auch dazu erhoffe man sich Daten.

„Chapea“ist nicht das erste Experiment dieser Art. Unter anderem sammelte die Nasa schon in einem Simulation­sgelände auf Hawaii mit den „Hi Seas“-Missionen Erfahrunge­n und Daten, ebenso die Raumfahrtb­ehörden Europas, Russlands und Chinas vor knapp 15 Jahren mit dem „Mars 500“-Projekt. Und es soll weitergehe­n: Die Nasa hat zwei weitere „Chapea“-Missionen in Planung, die nächste soll im Frühjahr 2025 starten. (Christina Horsten, dpa)

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Foto: Nasa/Chapea Crew/dpa So feierte die „Chapea“-Besatzung Weihnachte­n (von links): Ross Brockwell, Anca Selariu, Nathan Jones und Kelly Haston.

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