„Die Sanierung ist jetzt kein Thema“
Vor einem Jahr ist Andrea Lissoni als Künstlerischer Direktor im Haus der Kunst in München angetreten – und verblüfft. Denn statt eines Umbaus favorisiert er eine inhaltliche Erneuerung, die das gesamte Gebäude einbezieht
Herr Lissoni, Sie sind jetzt seit einem Jahr in München, aber die Öffentlichkeit hat wenig von Ihnen mitbekommen.
Andrea Lissoni: Was hätte ich sagen können? Mein erstes Jahr am Haus der Kunst war ja quasi schon von anderen geplant. Und durch Corona waren wir doch alle paralysiert. Ich glaube, es hat einfach niemanden gebraucht, der sagt, die Zukunft ist grün – und dann wird sie aber pink. Ich habe dieses erste Jahr allerdings genutzt, um so viele Menschen wie möglich zu treffen.
Von Ihnen gibt es Bilder, da stehen Sie mit aufgekrempelten Hosen im Eisbach hinterm Haus der Kunst. Steckt dahinter eine Nachricht?
Lissoni:
Lissoni:
Corona wird uns noch eine Weile einschränken. Da bleibt eigentlich nur der öffentliche Raum?
Lissoni: Deshalb haben wir für den Sommer eine Ausstellung auf der Terrasse geplant. Es wird aber keine Objekte geben, sondern eine Mischung aus Musik und Performances.
Würden Sie mit Ihrem Programm gerne weiter in den Englischen Garten hineingehen?
Lissoni: Dran denkt man unwillkürlich. Vielleicht ergibt sich das mit der Zeit, aber da haben auch noch andere mitzureden.
Wie kann es mit und nach Corona mit der Kunst und den Ausstellungen weitergehen?
Lissoni: Die Institutionen haben sich zum Teil schon verändert, das wird sich noch fortsetzen. Blockbusteroder Großausstellungen sind plötzlich kein Thema mehr. Ich frage mich aber, was mit den jungen Künstlern passiert. Sie verlieren jetzt zwei, drei, vier Jahre. Sämtliche Ausstellungen werden geschoben, und sie warten und warten und sind mit 35 vielleicht gar keine Künstler mehr.
Sie haben hier viel Platz.
Lissoni: Wir befassen uns eher mit der Frage der Zeit. Neben wohl bekannten Ausstellungsformaten planen wir jetzt zum Beispiel Gruppenausstellungen von zwei Wochen Dauer oder dreitägige Soloshows: eine Künstlerin oder ein Künstler, eine Chance. Und wir denken außerdem an Projekte, die 24 Stunden dauern. Mal sehen, wie das Publikum reagiert.
Das klingt nach viel Arbeit. Wo holen Sie sich Energie?
Lissoni: Wenn ich mich mit Menschen treffe. Das fehlt mir gerade sehr. Und ich möchte unbedingt noch Skifahren, auch das geht mir richtig ab.
● Andrea Lissoni, 50, stammt aus Mailand. Der Kunsthistoriker hat in Pavia studiert und wurde 2011 in Udine mit der Arbeit „VariaVision – Beyond the thershold of disciplines“promoviert. Lissoni hat u. a. als Kurator in Paris, Mailand und Tasch kent gearbeitet. 2014 begann er an der Tate Modern in London als Kurator für Film und internationale Kunst. Seit April 2020 ist Lissoni Künstlerischer Direktor des Hauses der Kunst in München. (sigg)