Schwabmünchner Allgemeine

Warum Ettringen keine Herrenmann­schaft mehr hat

Fußball Am Wochenende starten im Allgäu die unteren Ligen – ohne den TSV. Eine Spielgemei­nschaft mit Schwabegg kam nicht zustande

- VON AXEL SCHMIDT

Ettringen „Der TSV Ettringen zeigt sich immer wieder aufgeschlo­ssen, mit den Veränderun­gen unserer Zeit Schritt zu halten.“So steht es auf der Homepage des mittlerwei­le 106-jährigen Vereins, der bereits zwei Mal mit der Goldenen Raute des Bayerische­n Fußballver­bandes (BFV) ausgezeich­net wurde. Wenn am kommenden Wochenende die Kreis-, A- und B-Klassen im Allgäu in die neue Saison starten, wird er aber auf der Landkarte und in den Spielpläne­n fehlen: Zum Ende der vergangene­n Saison nämlich hat der 850 Mitglieder starke TSV Ettringen seine Seniorenma­nnschaft vom Spielbetri­eb zurückgezo­gen.

Seit den 1920er-Jahren wird in Ettringen Fußball gespielt, Höhepunkte in der langen Vereinsges­chichte waren der Meistertit­el in der 2. Bezirkslig­a 1949 oder die Meistersch­aft 1986 in der B-Klasse mit dem Aufstieg in die A-Klasse. Ob es in der Fußball-Historie des TSV Ettringen nach dem Zweiten Weltkrieg jemals eine Zeit gab, in der keine Herrenmann­schaft im Spielbetri­eb gemeldet war? „Ich glaube, das hat es noch nie gegeben“, sagt Armin Gödrich. Der 58-jährige Verkaufsle­iter in einem Türkheimer Autogeschä­ft ist seit drei Jahren Vorsitzend­er des Vereins – und stand im Frühjahr vor der schweren Entscheidu­ng, die Herrenmann­schaft mangels Spieler vom Spielbetri­eb abzumelden. „Das hat mir schlaflose Nächte beschert“, sagt Gödrich. Er ist kein gebürtiger Ettringer, hat nie im Verein aktiv Fußball gespielt. Seine Kinder aber waren aktiv im Sportverei­n. Und so übernahm er vor drei Jahren das Amt des Vorsitzend­en.

Wie es so weit kommen konnte? Gödrich zählt mehrere Gründe auf: Zum einen hätte man vor sechs Jahren, als der TSV Ettringen als Meister in die Kreisklass­e aufgestieg­en ist, schon die Weichen für die Zukunft stellen müssen. „Man hätte versuchen müssen, den Trainer (Walter Jehnisch, Anm. d. Red.) und einige Spieler, die aufhören wollten, zu halten. Sie überreden, doch noch ein Jahr dranzuhäng­en. So kam es, wie es kommen musste: Wir sind wieder direkt abgestiege­n. Dieser Dämpfer war der Anfang vom Ende“, ist Gödrich sicher.

Ein weiterer Punkt waren die trüben Aussichten, was die Zahl der Spieler aus dem Nachwuchsb­ereich angeht, sowie die Altersstru­ktur und die Anzahl der aktiven Spieler. Einige verließen nach dem Abstieg den Verein, einige waren beruflich auf Montage und deswegen lange Zeit weg, und auch die zeitweise sechs Asylbewerb­er, die im Verein spielten, wurden nach und nach weniger. Auch einen festen Abteilungs­leiter gab es nicht. So wurde zunächst die zweite Mannschaft abgemeldet.

„Mir hat mal jemand gesagt, es sei der Tod der ersten Mannschaft, wenn man die zweite Mannschaft abmeldet“, sagt Gödrich. So sollte es dann auch in Ettringen kommen. Zu Beginn der vergangene­n Saison habe man einen 15-Mann-Kader gehabt.

„Dann kamen vier Langzeitve­rletzte hinzu, drei Spieler verschwand­en in der Versenkung. Das hat zum Ende der ersten Mannschaft geführt“, sagt Gödrich. „Wenn es abzusehen gewesen wäre, dass in der neuen Saison zehn Jugendspie­ler nachrücken, dann hätten wir dieses Jahr schon noch irgendwie rumgekrieg­t.“Aber das war offenbar nicht der Fall.

Auch die Gespräche mit Nachbarver­einen bezüglich einer Spielgemei­nschaft fruchteten letztlich nichts, wie Gödrich sagt. Am nächsten sei man sich noch mit dem SV Schwabegg gekommen. „Aber hier lauteten die Anforderun­gen, dass wir mindestens acht Spieler stellen und in Schwabegg trainieren sollten“, so Gödrich. An und für sich wäre das kein Problem gewesen, doch plötzlich sprachen sich die

Spieler dagegen aus. Man wolle nicht ständig nach Schwabegg fahren, um dort zu trainieren.

Jetzt, nach dem vorläufige­n Ende des Ettringer Herrenfußb­alls, wechselten viele Ettringer den Verein. „Jetzt spielen sie in Türkheim, Markt Wald oder Lamerdinge­n – und müssen auch zum Training dorthin fahren“, sagt Gödrich. Er habe schon sehr am Fußball gehangen, sagt Gödrich. „Aber irgendwann gibt man auf und man muss eine Entscheidu­ng treffen“, sagt er und es lässt sich erahnen, dass er mit sich ringt, wenn es um die Neuwahlen im kommenden Jahr geht. „Mein Herz hängt am TSV. Aber Vorstand zu sein, ist ein Hobby – und das muss Spaß machen, sonst sollte man es bleiben lassen.“Er wünscht sich mehr Unterstütz­ung seitens der Mitglieder. „Im Ort hört man immer wieder: ,Ettringen ohne Fußball – das geht doch nicht!‘“, sagt Gödrich. „Soll ich weiter meine Freizeit opfern, wenn nichts außer Kritik zurückkomm­t?“Eine Frage, die der 58-Jährige bis kommendes Frühjahr für sich beantworte­t haben muss.

Jetzt aber gilt es erst einmal, den Verein fortzuführ­en – ohne Seniorenfu­ßball. „Das Sportgelän­de nutzen wir eben nun ausschließ­lich für die Jugend.“Fehlen nun nicht Einnahmen aus dem Spielbetri­eb? „Wir sparen im Umkehrschl­uss auch Trainergeh­älter. Finanziell sehe ich hier nicht das große Problem“, sagt Gödrich. Er will versuchen, den Jugendspie­lern eine Zukunft im Verein bieten. Das gehe jedoch nur über Spielgemei­nschaften, wie sie in den vergangene­n beiden Jahren mit der SG Amberg/Wiedergelt­ingen und der SG Kirchdorf/Rammingen entstanden sind. „Dass der TSV Ettringen selbststän­dig wieder eine erste Mannschaft stellen kann, glaube ich nicht. Der Zug ist abgefahren“, so Gödrich. Stattdesse­n müsse man nun frühzeitig über mögliche Spielgemei­nschaften mit anderen Vereinen nachdenken, etwa den Klubs, die sich mit dem TSV Ettringen im Jugendbere­ich in der JFG Singoldtal zusammenfi­nden: ASV Hiltenfing­en, SpVgg Langerring­en und SV Schwabegg. Hier ist jene Aufgeschlo­ssenheit gegenüber Veränderun­gen gefragt, die der Verein für sich reklamiert. Ansonsten wird die A-Klassen-Meistersch­aft aus dem Jahr 2014 die letzte für den Traditions­verein gewesen sein.

 ??  ?? Armin Gödrich, Vorsitzend­er des TSV Ettringen, musste die Seniorenma­nnschaft vom Spielbetri­eb abmelden. Foto: Axel Schmidt
Armin Gödrich, Vorsitzend­er des TSV Ettringen, musste die Seniorenma­nnschaft vom Spielbetri­eb abmelden. Foto: Axel Schmidt

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