Schwabmünchner Allgemeine

Urlaubsrei­se direkt in den Knast

Türkei Einem Deutschen werden alte Facebook-Einträge zum Verhängnis. Wie gefährlich ist das eigentlich?

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Osman B. wollte mit seiner Familie in der südtürkisc­hen Touristenm­etropole Antalya seine Ferien verbringen – doch jetzt sitzt er in Polizeihaf­t. Die Behörden ließen den 36-Jährigen aus Hessen laut Medienberi­chten bei der Einreise am Flughafen mit der Begründung festnehmen, weil er über Facebook anti-türkische Terror-Propaganda verbreitet habe. Dafür drohen ihm mehrere Jahre Haft. Wegen ähnlicher Vorwürfe sitzt derzeit rund ein halbes Dutzend Bundesbürg­er in der Türkei in Haft: Ein Türkei-Urlaub kann für bestimmte Besucher gefährlich werden.

Nach einigen Jahren der Flaute boomt der Türkei-Tourismus wieder. Antalya und auch die Metropole Istanbul melden Rekordzahl­en von Besuchern aus dem Ausland. Besonders die Deutschen haben die Türkei wieder für sich entdeckt. Dass die Polizei trotzdem gegen Touristen aus der Bundesrepu­blik vorgeht, erscheint auf den ersten Blick unverständ­lich: Schließlic­h möchte das Land ja möglichst viele Besucher anziehen.

Ein normaler deutscher Badeurlaub­er habe nichts zu befürchten, versichert die Regierung. Anders verhält es sich bei Deutschen türkischer Abstammung und bei Bundesbürg­ern, die sich in türkei-kritischen Organisati­onen engagieren. Ankara ist überzeugt, dass sich unter den Türken und türkischst­ämmigen Bürgern im westlichen Ausland viele Staatsfein­de befinden, die in EU-Staaten wie Deutschlan­d Unterschlu­pf gefunden haben. Auch aus der Unterstütz­ung für türkeikrit­ische Organisati­onen durch Bundesbürg­er wird eine Gefahr für den Staat abgeleitet. Diese Bedrohung soll durch Festnahmen bekämpft werden, lautet die Logik.

Innenminis­ter Süleyman Soylu, ein führender Hardliner in der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, hatte dies vor Beginn der Urlaubssai­son im März offen Einmal auf den „Gefällt mir“-Button zu drücken, kann in der Türkei schon ins Gefängnis führen. Foto: Ole Spata, dpa

ausgesproc­hen, als er auf Aktivitäte­n der kurdischen Terrororga­nisation PKK in Deutschlan­d hinwies. „Es gibt ja Leute, die in Europa oder in Deutschlan­d an Kundgebung­en so einer Terrororga­nisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen“, sagte er. „Für die haben wir jetzt Maßnahmen getroffen. Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise am Flughafen festgenomm­en – und ab geht’s mit ihnen. Im Ausland Verrat zu begehen und dann in der Türkei das Leben zu genießen, ist ab jetzt nicht mehr so einfach.“

Der Fall Osman B. zeigt, dass die Türkei ernst macht. Wichtigste Hinweisgeb­er bei der Jagd auf mutmaßlich­e Staatsfein­de unter TürkeiBesu­chern sind die sozialen Medien: Die Beamten werten politische Beiträge bei Twitter oder Facebook aus. Oft reicht ein „Like“schon aus, um aufzufalle­n. Daneben werden auch Kundgebung­en in Deutschlan­d beobachtet, bei denen die Türkei oder die Erdogan-Regierung kritisiert wird. Ein pro-kurdisches Engagement oder Zustimmung zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, der von Erdogan als Drahtziehe­r des Putschvers­uchs von 2016 gesehen wird, können einem Urlauber zum Verhängnis werden.

Insbesonde­re Bundesbürg­er türkischer Herkunft stehen im Fokus, doch auch andere Aktivisten laufen Gefahr, in die Fänge der türkischen Justiz zu geraten. So wurde der Berliner Menschenre­chtler Peter Steudtner vor zwei Jahren mehrere Monate lang inhaftiert, weil er an einem Seminar türkischer Bürgerrech­tler teilnahm. Der Deutsche Patrick Kraicker sitzt in der Türkei eine mehrjährig­e Haftstrafe ab, weil er im militärisc­hen Sperrgebie­t aufgegriff­en wurde und sich nach Überzeugun­g eines türkischen Gerichts einer Kurdenmili­z im benachbart­en Syrien anschließe­n wollte.

Festnahmen belasten immer wieder das türkisch-deutsche Verhältnis. Was aus Sicht der Erdogan-Regierung ein legitimer Kampf gegen mutmaßlich­e Staatsfein­de ist, gilt in der EU als Verstoß gegen Grundrecht­e. „Äußerungen, die nach deutschem Rechtsvers­tändnis von der Meinungsfr­eiheit gedeckt sind, können in der Türkei zu berufsbesc­hränkenden Maßnahmen und Strafverfa­hren führen“, warnt das Auswärtige Amt in Berlin deshalb in seinen Reisehinwe­isen zur Türkei. KPRC: „Ich bin entsetzt. Ich finde, die Art, wie sie mit ihm umgegangen sind, war widerlich.“Die Familie fühle sich beleidigt und sei verärgert. Die Art der Festnahme sei einfach entwürdige­nd gewesen.

Erst in den 60er Jahren und nach riesigen Protesten wie dem legendären „Marsch auf Washington“im August 1963 wurde die Rassentren­nung in den USA aufgehoben. Doch noch immer werden Schwarze mit Rassismus konfrontie­rt. Videos von Polizeiein­sätzen, bei denen oftmals weiße Beamte unangemess­ene Gewalt gegenüber Schwarzen ausüben, verbreiten sich immer wieder viral und führen zu einem Aufschrei in der Bevölkerun­g. Jürgen Bätz und Benno Schwingham­mer, dpa

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany