Schirmt das Internet ab?
Digital Zwei Klartexterinnen testen den Effekt der Filterblase im Netz. Google, Facebook und Instagram liefern ihnen unterschiedlich personalisierte Ergebnisse – obwohl beide ähnliche Interessen haben
Im Internet bestimmen Algorithmen, welche Suchergebnisse die User zu sehen bekommen. Durch dieses Schema kann der sogenannte Filterblasen-Effekt entstehen: Informationen, die nicht den Interessen einer Person entsprechen, werden nicht mehr angezeigt. Die beiden Klartexterinnen Katharina Forstmair, 21, und Lisa Kessner, 21, haben in einem Experiment getestet, inwieweit sie selbst betroffen sind. Landkreis Augsburg Schnell werden die tausendfach gegoogelten Urlaubsziele, Kochrezepte oder Fachartikel in die Suchmaschine eines fremden Computers getippt. Der Gedanke: Andere sollen auch sehen, was gemeint ist. Nun spuckt Google jedoch andere Ergebnisse aus. Mit den eigenen verglichen, sind diese verschoben oder das Gesuchte ist schwer zu finden. Dieses Phänomen, das aus der Welt digitaler Informationen stammt, heißt „Filter Bubble“– Filterblase oder auch Informationsblase. Der Nutzer einer Online-Plattform erhält durch Algorithmen hauptsächlich Informationen und Meinungen, die mit den eigenen übereinstimmen: Er lebt in seiner Blase, die konträre Standpunkte abschirmt. So ziehen Filterblasen im Netz das Problem nach sich, dass andere Ansichten außerhalb des eigenen Blickfelds geraten. ● Annahme: Politisch polarisierende oder nachrichtenrelevante Begriffe, häufig Gesuchtes und Ein-Wort-Suchen müssten bei Google Suche, Google Bilder oder Google News unterschiedliche Ergebnisse liefern. ● Durchführung: Da Google als am häufigsten genutzte Suchmaschine die nahe liegende Plattform für den Test ist, nutzen die Kommunikationsstudentinnen diese. Lisa gibt die Begriffe in die Google-App ihres Android
Smartphones ein, Katharina nutzt die Suchfunktion im Browser ihres iPhones. Die Suchmaschinen der beiden Studentinnen unterscheiden sich somit.
Hannah Schmid-Petri, Dozentin für den Lehrstuhl Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau, forscht zum Thema Filterblasen. Ihrer Ansicht nach ergibt der Begriff „Schönheit“auf Google in Fernost andere Suchergebnisse als in westlich geprägten Kulturen. Katharina und Lisa geben jeweils den Begriff in der Suchmaschine ein. Es erscheinen unter „Schönheit“dieselben Ergebnisse. Daher versuchen sie es mit Politik. Unter Stichwörtern der Klimapolitik oder zum Thema Europawahl unterscheiden sich die Ergebnisse wieder nicht.
Statt der Stichwortsuche tippen die beiden Studentinnen nun Fragen ins Smartphone. Sie testen Suchbegriffe, die sie häufig googeln: Was sind die beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Niederlande? Wie gestaltet man eine günstige Hollandreise? Wo findet man viele schnelle und gesunde Rezepte für Studenten? Bei den ersten beiden Fragen erscheinen wieder dieselben Antworten. Nur zum Thema Ernährung erhält Katharina einen zusätzlichen Beitrag: ein Video unter dem Stichwort gesunde Ernährung. Von den Produzenten des Videos hatte sie sich schon ähnliches Material angesehen. Algorithmen in der Suchmaschine „erinnern“sich an die Suchvorgänge und passen den Feed, also die gelieferten Ergebnisse, dem User an.
● Nachbesserung: Um den Feed individueller ausfallen zu lassen, geben die Klartexterinnen eine Suchanfrage auf Grundlage eines persönlicheren Anforderungsprofils ein.
Beide sind derzeit auf der Suche nach Praktika und suchen im Netz häufiger nach Stellenangeboten. Und tatsächlich: Der Suchbegriff „Praktikumsplatz in München“liefert bei beiden unterschiedliche Feeds, von denen jedoch kaum etwas auf das Anforderungsprofil der Studentinnen zutrifft. Google schlägt stattdessen Praktika im Ingenieurbereich oder in der Steuerberatung vor.
● Überprüfung: Bei Google konnten Katharina und Lisa nur einen spärlichen bis nicht vorhandenen Effekt der Filterblase bei den getesteten Suchanfragen feststellen. Als Nächstes überprüfen die beiden die sozialen Netzwerke. Beide nutzen Facebook nur selten. Trotzdem geben sie ein paar Begriffe in der Suchleiste ein. Als Hobbysportlerin sucht Lisa den Begriff „Sport“. Ihr wird die Sendung „Sportschau“vorgeschlagen, während bei Katharina – die nach eigener Aussage wenig sportbegeistert ist – das „Sportlerboot“erscheint: eine studentische Bootsparty auf dem Inn. Häufiger sind die Studentinnen auf Instagram unterwegs: Die App, die derselben US-amerikanischen Firma wie Facebook angehört, nutzen Katharina und Lisa täglich. Der Traffic, also die Gesamtheit ihrer übertragenen Daten, ist dort sehr groß. Deswegen müsste der Algorithmus viele Kriterien haben, nach denen er die Suchergebnisse auf die beiden individuell anpasst. Während Katharina 283 Usern folgt, hat Lisa nur 97 auf ihrer Liste. Entsprechend müsste Lisas Feed weniger spezifisch ausfallen. Tatsächlich sind Katharinas gesuchte Instagram-Beiträge eher auf sie zugeschnitten. Nicht so bei Lisa: Auf den vorderen Plätzen der vorgeschlagenen Kategorien erscheint bei ihr der Begriff „Style“– und „Essen“taucht weit hinten auf, obwohl es umgekehrt sein müsste. ● Fazit: Die Klartexterinnen Lisa und Katharina haben herausgefunden, dass beide ihre eigene Filterblase haben – obwohl sie in der gleichen Stadt leben, die gleiche Fachrichtung studieren und recht ähnliche Lebensstile haben. Zwar ist die Auswirkung beim Googeln nicht sehr ausgeprägt. Doch die Ergebnisse in den sozialen Netzwerken zeigen, dass die Algorithmen ihnen verstärkt Ergebnisse anzeigen, die den persönlichen Interessen der beiden jungen Studentinnen entsprechen und andere vernachlässigen – die Definition einer Filterblase.