Schwabmünchner Allgemeine

„Ich möchte zum Nachdenken anregen“

Geschichte Leo Schön ist nach Ende des Zweiten Weltkriege­s als Sudetendeu­tscher vertrieben worden. Heute setzt er sich dafür ein, dass die Ereignisse nicht in Vergessenh­eit geraten

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Landkreis Augsburg Rund 15 Millionen Deutsche sind nach Ende des Zweiten Weltkriege­s vertrieben worden. Viele mussten ihre alte Heimat verlassen – und fanden eine Zukunft im Augsburger Land. Auch Leo Schön kam als Kind aus seiner Heimat im tschechisc­hen Braunau nach Schwaben. Seit mehr als 50 Jahren lebt der 82-Jährige in Gersthofen. Schön setzt sich mit Vorträgen und Diskussion­srunden – unter anderem auch an der Universitä­t Augsburg – dafür ein, dass die Geschichte nicht in Vergessenh­eit gerät. Aktuell führt er in der Ausstellun­g „Erzwungene Wege“im Landratsam­t Augsburg Interessie­rte in die Geschichte der Vertrieben­en in ganz Europa ein.

Herr Schön, welche Erinnerung­en kommen in Ihnen hoch, wenn Sie die Bilder der Ausstellun­g sehen? Schön: Ich erinnere mich an meine Schulzeit, an die Bombenangr­iffe und Fliegerala­rme. Aber ich habe keine üblen Erinnerung­en mehr daran. Da ich mit neun Jahren vertrieben und mit nur 14 Jahren von meiner Mutter getrennt wurde, habe ich gelernt, solche Erfahrunge­n schnell zu verarbeite­n.

Es werden auch Schulklass­en durch die Ausstellun­g geführt. Was geben Sie den jungen Menschen mit auf den Weg?

Schön: Mir ist wichtig, dass sich Schüler mit der Geschichte befassen und verstehen, was damals passiert ist. Viele staunen, wenn ich ihnen meine Erlebnisse erzähle – sie können das gar nicht so schnell verarbeite­n.

Wie ist die Reaktion der Schüler? Schön: Sie fragen nach, wie es mir ergangen ist und zeigen Interesse. Es freut mich, wenn ich zum Nachdenken anregen kann.

Täglich ist das Flüchtling­sthema in den Medien präsent. Fühlen Sie sich dabei selbst an Ihre eigene Geschichte zurückerin­nert?

Schön: Nein. Meine Vertreibun­g hat mit der aktuellen Fluchtbewe­gung nichts zu tun. Wir wurden damals abtranspor­tiert und wussten nicht, wo wir landen werden. Das ist heute anders. Meine Mutter und ich mussten nach Kriegsende in 30 Minuten unser Haus in Braunau verlassen.

Haben Sie als Vertrieben­er Ablehnung bei den Menschen erlebt? Schön: Ich kam nicht direkt nach dem Krieg, sondern erst 1958 nach Augsburg. Da hatte sich die Situation schon geändert. Angefeinde­t wurde ich nicht, ich habe eher Mitleid erfahren.

Was raten Sie den Menschen, die heute Flüchtling­e aufnehmen wollen? Schön: Flüchtling­e brauchen unsere Hilfe, um sich in die Gesellscha­ft zu integriere­n. Dafür sollte man ihnen die Sprache und Kultur näherbring­en – sofern sie das wollen. Sobald sich Gruppen isolieren, kommt eine Gegenstimm­ung auf. Das Ergebnis sieht man in größeren Städten, hier im Landkreis verteilt es sich aber gut. (mells) Wanderauss­tellung „Erzwungene Wege“ist bis 24. Juli zu den Öffnungsze­iten im Foyer des Landratsam­ts in Augsburg zu sehen.

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Leo Schön

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