Schwabmünchner Allgemeine

Verbale Entgleisun­gen im Zug

Justiz Zwei Heranwachs­ende rasten auf dem Weg nach Bobingen aus. Sie beschimpfe­n und schlagen andere Fahrgäste. Selbst als die Polizei am Bahnhof eintrifft, verhalten sich die Angeklagte­n alles andere als einsichtig

- VON MICHAEL LINDNER

Bobingen Alles andere als eine alltäglich­e Zugfahrt erlebten die Gäste im März vergangene­n Jahres zwischen Augsburg und Bobingen. Die Männer und Frauen sitzen im Regionalzu­g, der an jenem Montag pünktlich um 20.30 Uhr den Augsburger Hauptbahnh­of verlässt. Die Gruppe betrunkene­r junger Männer und Frauen, die sich lautstark unterhält, nervt zwar den einen oder anderen Gast, doch alles hält sich im Rahmen. Das ändert sich allerdings, als die Haltestell­e Inningen erreicht wird. Von dort bis ins wenige Minuten entfernte Bobingen kommt es nicht nur zu verbalen Entgleisun­gen. Reisende werden von einem damals 18-Jährigen und einer 17-Jährigen geschlagen. Nun mussten sich die beiden vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en.

Die beiden gaben zu, dass sie nur eine Fahrkarte vom Hauptbahnh­of bis Inningen gelöst hatten. Sie wollten aber bis Bobingen fahren. Da sie bei der Zugbegleit­erin nach der Kontrolle kurz vor Inningen kein Ticket nachlösen konnten, blieben sie einfach sitzen. Sie diskutiert­en lautstark mit der Kontrolleu­rin, dann schaltete sich ein 52-jähriger Pendler ein. Dieser wurde von der Jugendlich­en sofort beleidigt. Doch nicht nur das. „Ich habe eine Pistole und knall dich ab“, sagte die 17-Jährige zu dem Mann. Die Zugbegleit­erin verständig­te per Handy die Polizei und bat zwei weitere Reisende, die junge Frau sowie deren 18-jährigen Bekannten nicht wegzulasse­n.

Der junge Mann wollte abhauen, rannte gegen den 52-Jährigen und schlug um sich. Er biss diesem sogar den Mittelfing­er blutig. Als beide zu Boden stürzten, trat die 17-Jährige mit dem Knie gegen den Kopf des Mannes. Der 52-Jährige und die beiden anderen Fahrgäste versuchten die jungen dunkelhäut­igen Randaliere­r, die nach Angaben der Zeugen betrunken waren, bis zur Ankunft in Bobingen festzuhalt­en – allerdings nicht, ohne weitere Beleidigun­gen wie „Fehlgeburt“und „Naziglatze“über sich ergehen lassen zu müssen.

Endlich am Bobinger Bahnhof angekommen, wurden die Angeklagte­n von der Polizei in Empfang genommen. Die Jugendlich­e beleidigte mehrere Beamte. Der 18-Jährige, der vor vier Jahren aus Eritrea wegen des dortigen diktatoris­chen Regimes und dem dort drohenden Militärdie­nst über Libyen und Sizilien nach Deutschlan­d geflohen war, beruhigte sich ebenfalls in Gegenwart der Beamten nicht. Im Gegenteil. Er rempelte die Polizisten an, beleidigte sie. „Die Standardsp­rüche prallen an uns ab. Aber das war schon extrem persönlich und beleidigen­d“, sagte ein Beamter vor Gericht. Zu dritt haben sie ihn „unter großer Kraftanstr­engung gefesselt“.

Im Polizeiwag­en habe der 18-Jährige mit den Füßen um sich getreten. Als er ihn angurten wollte, führte der junge Mann mehrmals einen Kopfstoß aus – diese habe der Polizist allerdings mit der Hand abwehren können oder sie gingen an ihm vorbei.

Die Staatsanwä­ltin sprach von renitenten alkoholisi­erten Jugendlich­en, die einen „ganzen Blumenstra­uß an Taten“ansammelte­n. Sie forderte für beide 80 Stunden Hilfsdiens­te und einen Kurs zum Thema Alkohol. Die damals 17-Jährige, die bereits drei Eintragung­en im Bundeszent­ralregiste­r hat, solle zudem einen einwöchige­n Dauerarres­t, der 18-Jährige gar einen zweiwöchig­en Dauerarres­t verbüßen.

Die beiden Angeklagte­n räumten die Vorwürfe größtentei­ls ein, auch wenn sie sich nicht mehr an alles erinnern konnten. Verteidige­r Werner Ruisinger hob die mustergült­ige Entwicklun­g seines Mandanten hervor, der in Deutschlan­d einen Abschluss machte und derzeit eine Ausbildung absolviert. Wegen des „einmaligen Fehltritts“bat er, von einem Dauerarres­t abzusehen. Dies forderte Verteidige­rin Petra Dittmer auch für ihre Mandantin.

Richterin Angela Reuber sprach von einem sehr unschönen Fall und heftigen Beleidigun­gen, die ihresgleic­hen suchen. Sie verurteilt­e die beiden zu jeweils 80 Sozialstun­den und einem Freizeitar­rest. Das bedeutet, dass sie ein Wochenende von Freitag bis Sonntag in der Jugendstra­fanstalt verbringen müssen. Zudem müssen sie einen sogenannte­n Aloha-Kurs besuchen, der sich mit den Folgen und den Umgang mit Alkohol beschäftig­t. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany