Verbale Entgleisungen im Zug
Justiz Zwei Heranwachsende rasten auf dem Weg nach Bobingen aus. Sie beschimpfen und schlagen andere Fahrgäste. Selbst als die Polizei am Bahnhof eintrifft, verhalten sich die Angeklagten alles andere als einsichtig
Bobingen Alles andere als eine alltägliche Zugfahrt erlebten die Gäste im März vergangenen Jahres zwischen Augsburg und Bobingen. Die Männer und Frauen sitzen im Regionalzug, der an jenem Montag pünktlich um 20.30 Uhr den Augsburger Hauptbahnhof verlässt. Die Gruppe betrunkener junger Männer und Frauen, die sich lautstark unterhält, nervt zwar den einen oder anderen Gast, doch alles hält sich im Rahmen. Das ändert sich allerdings, als die Haltestelle Inningen erreicht wird. Von dort bis ins wenige Minuten entfernte Bobingen kommt es nicht nur zu verbalen Entgleisungen. Reisende werden von einem damals 18-Jährigen und einer 17-Jährigen geschlagen. Nun mussten sich die beiden vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten.
Die beiden gaben zu, dass sie nur eine Fahrkarte vom Hauptbahnhof bis Inningen gelöst hatten. Sie wollten aber bis Bobingen fahren. Da sie bei der Zugbegleiterin nach der Kontrolle kurz vor Inningen kein Ticket nachlösen konnten, blieben sie einfach sitzen. Sie diskutierten lautstark mit der Kontrolleurin, dann schaltete sich ein 52-jähriger Pendler ein. Dieser wurde von der Jugendlichen sofort beleidigt. Doch nicht nur das. „Ich habe eine Pistole und knall dich ab“, sagte die 17-Jährige zu dem Mann. Die Zugbegleiterin verständigte per Handy die Polizei und bat zwei weitere Reisende, die junge Frau sowie deren 18-jährigen Bekannten nicht wegzulassen.
Der junge Mann wollte abhauen, rannte gegen den 52-Jährigen und schlug um sich. Er biss diesem sogar den Mittelfinger blutig. Als beide zu Boden stürzten, trat die 17-Jährige mit dem Knie gegen den Kopf des Mannes. Der 52-Jährige und die beiden anderen Fahrgäste versuchten die jungen dunkelhäutigen Randalierer, die nach Angaben der Zeugen betrunken waren, bis zur Ankunft in Bobingen festzuhalten – allerdings nicht, ohne weitere Beleidigungen wie „Fehlgeburt“und „Naziglatze“über sich ergehen lassen zu müssen.
Endlich am Bobinger Bahnhof angekommen, wurden die Angeklagten von der Polizei in Empfang genommen. Die Jugendliche beleidigte mehrere Beamte. Der 18-Jährige, der vor vier Jahren aus Eritrea wegen des dortigen diktatorischen Regimes und dem dort drohenden Militärdienst über Libyen und Sizilien nach Deutschland geflohen war, beruhigte sich ebenfalls in Gegenwart der Beamten nicht. Im Gegenteil. Er rempelte die Polizisten an, beleidigte sie. „Die Standardsprüche prallen an uns ab. Aber das war schon extrem persönlich und beleidigend“, sagte ein Beamter vor Gericht. Zu dritt haben sie ihn „unter großer Kraftanstrengung gefesselt“.
Im Polizeiwagen habe der 18-Jährige mit den Füßen um sich getreten. Als er ihn angurten wollte, führte der junge Mann mehrmals einen Kopfstoß aus – diese habe der Polizist allerdings mit der Hand abwehren können oder sie gingen an ihm vorbei.
Die Staatsanwältin sprach von renitenten alkoholisierten Jugendlichen, die einen „ganzen Blumenstrauß an Taten“ansammelten. Sie forderte für beide 80 Stunden Hilfsdienste und einen Kurs zum Thema Alkohol. Die damals 17-Jährige, die bereits drei Eintragungen im Bundeszentralregister hat, solle zudem einen einwöchigen Dauerarrest, der 18-Jährige gar einen zweiwöchigen Dauerarrest verbüßen.
Die beiden Angeklagten räumten die Vorwürfe größtenteils ein, auch wenn sie sich nicht mehr an alles erinnern konnten. Verteidiger Werner Ruisinger hob die mustergültige Entwicklung seines Mandanten hervor, der in Deutschland einen Abschluss machte und derzeit eine Ausbildung absolviert. Wegen des „einmaligen Fehltritts“bat er, von einem Dauerarrest abzusehen. Dies forderte Verteidigerin Petra Dittmer auch für ihre Mandantin.
Richterin Angela Reuber sprach von einem sehr unschönen Fall und heftigen Beleidigungen, die ihresgleichen suchen. Sie verurteilte die beiden zu jeweils 80 Sozialstunden und einem Freizeitarrest. Das bedeutet, dass sie ein Wochenende von Freitag bis Sonntag in der Jugendstrafanstalt verbringen müssen. Zudem müssen sie einen sogenannten Aloha-Kurs besuchen, der sich mit den Folgen und den Umgang mit Alkohol beschäftigt. Das Urteil ist rechtskräftig.