Der Mensch und das Cannabis Die Rausch-Wirkung wurde vor 2500 Jahren schon genutzt. Das zeugen neue Funde in China
Der Rausch begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden: Zu den bis heute beliebtesten psychoaktiven Drogen gehört Cannabis – und dieses wurde bereits vor 2500 Jahren in China geraucht. Das besagt zumindest eine aktuelle Studie, veröffentlich in Science Advances. Wissenschaftler des MaxPlanck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (beide Peking) fanden heraus: Hanf-Pflanzen wurden im Rahmen von Begräbnisritualen verbrannt – und bewusst solche, die besonders berauschend wirkten.
Schon mindestens 3500 vor Christus wurden Hanfpflanzen in Ostasien angebaut, um Öle aus ihren Samen und Seile oder Stoffe aus ihren Fasern herzustellen. Seit wann Menschen allerdings bekannt ist, dass Bestandteile der Pflanze psychoaktive Substanzen enthalten, war lange unklar. Einen der wenigen Hinweise lieferte der griechische Geschichtsschreiber Herodot, der um das Jahr 450 vor Christus lebte und in seinen „Historien“von den Skythen berichtete, einem Nomadenvolk aus dem heutigen Südrussland, das sich am Dampf von erhitztem Cannabis berauscht habe.
Für diesen Rausch verantwortlich ist Tetrahydrocannabinol (THC), welches in getrockneten CannabisBlättern,
-Blüten und -Blütenständen von unbestäubten weiblichen Pflanzen vorkommt. Die meisten früh kultivierten Hanf-Sorten sowie die meisten Wildbestände haben einen eher geringen THC-Anteil – vor allem im Vergleich zu den speziell für die Haschisch- oder MarihuanaProduktion gezüchteten Pflanzen, in denen er seit Jahren auch durch Gen-Bearbeitung immer weiter steigt. Dass der THC-Anteil Cannabis-Konsumenten indes schon vor 2500 Jahren wichtig war, legt nun die Untersuchung der hölzernen Gefäße nahe, gefunden im östlichen Pamirgebirge Chinas.
Als die Wissenschaftler versuchten, deren Funktionsweise festzustellen, entdeckten sie überraschenderweise Verbindungen, deren chemische Signatur genau der von Cannabis entsprach. Und mehr noch: Die Daten belegten, dass die Menschen damals Cannabissorten mit einem höheren THC-Gehalt verbrannten. Nicht festgestellt werden konnte indes, ob die Menschen jene Sorten selbst anbauten oder gezielt sammelten. Auch ob und wie sie den Rauch genau inhalierten, geht aus der Studie nicht hervor. Die Räuchergefäße stammten von der Begräbnisstätte Jirzankal.
Heute wirken die hoch gelegenen Bergpässe eher abgelegen, früher führte hier eine der Hauptrouten der Seidenstraße entlang – das deuten zumindest manche der geborgenen Artefakte an, die Spuren von Kulturen anderer Regionen enthielten, vor allem aus Zentralasien. Zudem belegten einige der menschlichen Überreste, dass nicht alle dort gestorbenen Menschen auch vor Ort aufgewachsen waren. „Die Austauschrouten der frühen Seidenstraße funktionierten eher wie die Speichen eines Wagenrads als wie eine Fernstraße und rückten Zentralasien in den Mittelpunkt der damaligen Welt“, erklärt Robert Spengler, leitender Archäobotaniker der Studie vom Planck-Institut.
Und: „Unsere Studie impliziert, dass das Wissen über das Rauchen von Cannabis und spezifische Cannabissorten mit hohem Wirkstoffgehalt zu den kulturellen Traditionen gehören, die sich entlang dieser Routen ausbreiteten.“Die Menschen von Jirzankal verbrannten Cannabis wohl bei Ritualen zum Gedenken an ihre Toten, begraben unter kreisförmige Hügeln, Steinringen und Streifenmuster aus schwarzen und weißen Steinen. Die Autoren meinen, dass die Hanfpflanzen geraucht wurden, um mit den Toten oder göttlichen Mächten in Kontakt zu treten.
Heute wird Cannabis vor allem als Freizeitdroge oder medizinisch genutzt – und es wird über Risiken diskutiert, die Gefahr der Abhängigkeit, mögliche psychische Langzeitfolgen. Zugleich ist Cannabis weltweit die am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Archäobotaniker Spengler sagt: „Die modernen Sichtweisen auf Cannabis variieren kulturübergreifend enorm, aber es ist klar, dass die Pflanze über Jahrtausende hinweg durch den Menschen genutzt wurde, sei es medizinisch, rituell oder zur Entspannung.“Alice Lanzke, dpa