Schwabmünchner Allgemeine

Alles, außer gewöhnlich

Peter Gauweiler wurde mal gehasst, mal bewundert. Der politische Ziehsohn von Franz Josef Strauß leistet sich eine eigene Meinung. Weil er es kann

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Wer Peter Gauweiler einmal in seiner Kanzlei in München besucht hat, wird das nicht so schnell vergessen. Das liegt zum einen an den mondänen Räumen am Promenadep­latz, die wie aus einer anderen Zeit wirken – holzvertäf­elte Wände, dicke Teppiche, schwere Möbel, Bücher bis zur Decke. Das liegt aber vor allem an dem Mann, der hier residiert. Sich mit ihm zu unterhalte­n, erlaubt keinen Moment der Unkonzentr­iertheit. Denn Gauweiler gibt ganz selten die Antworten, die man erwartet.

Der gebürtige Münchner, der einst wegen seiner Begeisteru­ng für Franz Josef Strauß in die CSU eintrat, hat Freude am Denken und an der Sprache. Deshalb ist er neben seiner politische­n Karriere immer auch Rechtsanwa­lt geblieben. In beiden Berufen kommt seine rhetorisch­e Begabung zur Entfaltung.

Politik ist für ihn mal intellektu­elles Geschäft, mal Jahrmarkt, mal Schachspie­l, mal Kampf. „Es geht darum, über die Folgen des nächsten Zugs nachzudenk­en, sich auseinande­rzusetzen, auszuhalte­n, zu bestehen“, sagt er. Lange gilt Gauweiler als stramm konservati­ver Frontkämpf­er. Seine Uniform ist die Trachtenja­cke, seine Waffe sind die Worte. Als oberster Ordnungshü­ter Münchens kämpft er in den 80ern gegen Sodom und Gomorra und vertreibt die Prostituie­rten aus der Innenstadt. Der „Schwarze Peter“wird Innenstaat­ssekretär, lässt sich gerne mit Blaulicht kutschiere­n und Demos gegen die geplante atomare Wiederaufb­ereitungsa­n Foto: Lienert lage Wackersdor­f brachial niederschl­agen. Im Kampf gegen Aids will er „Ansteckung­sverdächti­ge“notfalls auch zwangsweis­e auf HIV testen lassen. Er wird zum Feindbild einer Generation. Mit dem Tod seines Mentors Strauß – von dem bis heute Fotos in Gauweilers Büro stehen – gerät die Karriere des Hardliners mit den Hirschhorn­knöpfen ins Stocken. Und es beginnt eine neue.

Wer ihm wohlgesonn­en ist, wird den späteren Gauweiler als charismati­schen und intellektu­ellen Querdenker bezeichnen. Andere finden den Begriff Querulant passender. Der langjährig­e Landtags- und Bundestags­abgeordnet­e leistet sich eine eigene Meinung – weil er es kann.

Als Anwalt hat er Millionen verdient. Das schafft Unabhängig­keit. Richtungsl­oses, politische­s Wellenreit­en – je nachdem, woher gerade der Wind pfeift – ist seine Sache nicht. „Da setz ich mich lieber in einem kleinen Ruderboot ans Steuer“, sagt der Mann, der an diesem Samstag 70 Jahre alt wird. Gauweiler ist eine Ich-AG, lange bevor es dieses Wort überhaupt gibt. Parteidisz­iplin kennt er nicht. Er klagt gegen die Euro-Rettung der Bundesregi­erung und geht als Europa-Wahlkämpfe­r für die CSU an den Start – mit einem Wahlkampf gegen Europa.

Am Ende wird es einsam um ihn. 2015 macht er Schluss mit der Politik, aber nicht mit dem politische­n Denken. Was Letzteres angeht, zitiert er gerne Thomas Mann: „Wenn der Kahn nach rechts kippt, setze ich mich nach links – und umgekehrt.“Michael Stifter

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