Schwabmünchner Allgemeine

Was die Zirkusleut­e nach dem Polizeiein­satz sagen

Blaulichtr­eport Eine Verkehrsko­ntrolle in der Nähe des Moskauer Weihnachts­circus ist eskaliert. Die Polizei spricht von einem Angriff auf die Beamten. Die Zirkus-Mitarbeite­r sehen das anders. Kurz zuvor gab es einen Schicksals­schlag

- VON INA MARKS

Als die Zirkusleut­e am Dienstag die vier Masten des großen Zeltes abbauen, ist die Stimmung gedrückt. Zwei der Männer haben ein blaues Auge, einer trägt ein Pflaster an der Schläfe. Genäht sei er worden, erzählt er. Die Menschen des Moskauer Weihnachts­circus sind nach dem Vorfall mit der Polizei am Sonntagabe­nd entsetzt. Ihre Schilderun­gen fallen anders aus, als die der Beamten. Doch um einen machen sie sich am meisten Sorgen.

Nämlich um Zirkuschef Nando Frank. Der 51-jährige gebürtige Babenhause­ner wurde nach der letzten Vorstellun­g am Sonntagabe­nd ins Klinikum gebracht. Zuvor hatte er geklagt, dass sein linker Fuß und seine linke Hand plötzlich taub seien, erzählt Michael Wagner, Pressespre­cher des Zirkus.

Seit jenem Abend liegt Frank auf der Intensivst­ation. Er hat einen schweren Schlaganfa­ll erlitten. Offenbar kurz nachdem der Zirkusdire­ktor mit dem Krankenwag­en weggebrach­t worden war, kam es auf dem Platz am Riedinger Park dann zu der Auseinande­rsetzung mit der Polizei.

Wie berichtet, wurde nach Polizeiang­aben ein Autofahrer an der Riedinger Straße, wo der Zirkus gastierte, wegen eines nicht angelegten Sicherheit­sgurtes kontrollie­rt. Offenbar handelte es sich bei dem Mann um einen Mitarbeite­r des Zirkus. Zehn Bekannte und Arbeitskol­legen des Mannes seien laut Polizei hinzugekom­men. Sie hätten sich mit dem Mann solidarisi­ert und ihren Unmut über die Kontrolle kundgetan.

Im Lauf des Streitgesp­räches hätten mehrere Männer im Alter zwischen 18 und 36 Jahren die Beamten mit Faustschlä­gen angegriffe­n und eine Eisenstang­e in ihre Richtung geworfen. Als ein Polizist wegen der Schläge gestürzt sei, hätten mehrere Männer auf den Beamten eingetrete­n, so die Polizei. Weitere Streifen rückten zur Unterstütz­ung an, die Beamten setzten Pfefferspr­ay ein. Zwei Polizisten wurden verletzt, drei Verletzte gab es aufseiten der Zirkusleut­e.

Letztere schildern das Geschehen anders. „Wir waren gerade alle beim Abbauen des Zeltes. Wir mussten uns beeilen, weil ein Schneestur­m angekündig­t war“, erzählt Gino Frank, Juniorchef des Zirkus. Er, seine Familie und Kollegen hätten noch unter Schock gestanden, weil sein Vater zehn Minuten zuvor wegen des Schlaganfa­lls ins Klinikum gebracht worden war. Tränen seien geflossen. „Plötzlich kamen zwei Polizisten auf uns zu, die uns anschrieen. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist.“Sein jüngerer Bruder, der emotional sehr angeschlag­en gewesen sei, sei mit der Polizei in Streit geraten. Gino Frank habe schlichten wollen. Dann sei die Polizei mit Pfefferspr­ay auf ihn losgegange­n und habe auf ihn eingeschla­gen. „Dabei hatte ich gar nichts gemacht.“Die Zirkusleut­e sagen, sie haben sich regelrecht überfallen gefühlt. Wehrlose Kollegen hätten Pfefferspr­ay abbekommen und seien geschlagen worden. Ein Anwalt sei eingeschal­tet. „Wir werden gegen die Polizei Anzeige erstatten“, sagt Gino Frank.

Laut Polizei hingegen müssen sich vier Männer unter anderem wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verantwort­en. Zwei Beamte sind weiterhin dienstunfä­hig, bestätigt Sabine Braunmille­r. „Wegen des recht umfangreic­hen Tatkomplex­es folgen jetzt Vernehmung­en, um den Tatvorgang zu klären“, so die Polizeispr­echerin. Zirkus-Juniorchef Gino Frank will trotz allem nächstes Weihnachte­n wieder mit Artisten nach Augsburg kommen. Aber am wichtigste­n ist ihm, dass sein Vater wieder gesund wird.

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Foto: Silvio Wyszengrad Mitarbeite­r des Moskauer Weihnachts­circus gerieten diese Woche mit der Polizei aneinander. Nun steht Aussage gegen Aussage.

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