Unsitten auf der Isar
Es soll ja Zeitgenossen geben, die bei ihrer Floßfahrt-Premiere sich zu viel Bier einverleiben. Mit schrecklichen Folgen: Der Trip mit Gerstensaft, Blasmusik, Radi und Obazdem endet allzu oft mit Übelkeit, Erbrechen und Schwindel. Dennoch gehört die Floßfahrt zum Kern oberbayerischer Brauchtumspflege.
Wichtig ist vor allem, Freunde aus Berlin und Duisburg mit dem musikalischen Initiationsritus vertraut zu machen, der da heißt „Ja, mir san mit’m Radl da“, wahlweise auch „When The Saints Go Marchin’ In“. Aber bloß nix singen von der neu formierten Avatar-Formation Abba. Erst wenn sie die Brause in Noten überstehen, gelten die Nord- und Westdeutschen als Event-tauglich. Auch wenn man sich schier verschluckt bei der Nennung des hässlichen Worts „Event“– die mehrstündige Fahrt von Wolfratshausen zur Zentrallände in der Landeshauptstadt jedenfalls läutet am 1. Mai die Flößersaison ein. Da kann der Gaudibursch noch dem Madl imponieren und es einfangen, bevor es von den rohen Stämmen kreischend flussabwärts in die Isar rutscht. Noch im 19. Jahrhundert war der Transport auf Loisach und Isar wesentlich profaner: Statt wenig sittsamer Dirndl wurde auf insgesamt 9000 Flößen Tuff- und Sandstein befördert.
Leider hat sich die Unsitte des Preißn-Biers beim urbanen Floßgast breitgemacht: Man sah schon Craft-Beer-Trinker, Freunde des türkischen Efes und Lübzer-Schlürfer aus Mecklenburg. Ein Unding für Traditionalisten, die jedem Flößer immerhin sieben Liter am Tag zugestehen .