Großes Theater auf der Matrix-Bühne
Die jungen Schauspieler von Dramalution zeigen mit ihrer Darbietung von vier Werken der Weltliteratur nicht nur großes Talent, sondern bieten ihrem Publikum auch tiefe Einblicke in die Liebeswirren des menschlichen Lebens
Königsbrunn „Broken Hearts – Vier kurze Stücke zum Thema Liebe“– so wurde das neueste Bühnenwerk der Theatergruppe Dramalution betitelt. Anders als im normalen Theaterbesuch gewohnt, bringen die jungen Schauspieler nicht eines, sondern vier Stücke hintereinander auf die Bühne. Diese Collage von Stücken zog das Publikum durch vier unterschiedliche Genres und Stile.
Das erste Stück, „Spiel“von Literaturnobelpreisträger Samuel Beckett brachte einen düsteren Einstieg auf die Bühne im Jugendzentrum Matrix. Drei Tote, ein Ehemann, seine Frau und seine Geliebte können keinen Frieden finden, da ihre Vergangenheit, ihre Schuld und nicht zuletzt ihre gebrochenen Herzen sie noch am Leben, oder mehr, am Reden hält. „Ich rieche sie dir noch an“– ein Satz, der in den starren Monologen der Dreien oft fällt, kann über das Stück hinaus als ein Satz gedeutet werden, der jeder Schuld anhaftet:
Solange eine Sorge einen Besorgten nicht zur Ruhe kommen lässt, bleibt sie auch an allen Beteiligten haften – auch nach dem Tod. Die Schauspieler Viktoria Slupik, Fabian Heißerer und Kamila Laskowski, die die Untoten spielten, brachten dieses Haften in haarsträubender Kälte auf die Bühne, die den Würgegriff aus Ratlosigkeit und Verzweiflung beinahe aufs Publikum überspringen ließ.
Weniger düster, aber dafür umso klassischer zeigte das zweite Stück „Wenn du geredet hättest, Desdemona“von Christine Brückner eine altbekannte Liebesgeschichte neu aufgelegt. Am Anfang des Stückes spielten Julian Blechmann als Othello und Janina Horn als Desdemona, die Szene aus William Shakespeares „Othello“in der Othello aus wahnhafter Eifersucht seine Geliebte Desdemona erwürgt. Dem ersten Teil war zwar, da in frühneuenglischer Sprache verfasst, zwischendurch etwas schwer zu folgen, der zweite Teil überraschte jedoch mit einer interessanten Wendung: Die Katastrophe im Stück wurde zurückgespult und noch einmal – diesmal in deutscher Sprache – gespielt, mit dem Unterschied, dass Desdemona diesmal auch zu Wort kommt und sich gegen die Anschuldigungen Othellos erwehren kann. Sie ver- sucht sogar, den Grund für das Scheitern ihrer Liebe zu finden, und gelangt zu dem deprimierenden Fazit: „Deine Schwäche war deine Eifersucht, meine mein Glaube zur Liebe.“
Das dritte Stück „Das Betreten des Grundstücks ist untersagt“von Tennessee Williams, präsentiert dem Publikum zwar keine Tragödie, dafür umso mehr eine tiefe Traurigkeit: Willie (Nina Tuscherer/Viktoria Slupik), ein rothaariges Mädchen, balanciert auf Eisenbahngleisen, als sie auf den gleichaltrigen Tom (Romeo Fischer/Robert Dick) trifft.
Im Gespräch der beiden erfährt das Publikum, dass Willies Familie einst eine Pension für Eisenbahner besaß, bis die Mutter mit einem Bremser durchbrannte, der Vater nach Alkoholexzessen spurlos verschwand, und Willies Schwester Alwa, der Star der Pension, an Schwindsucht starb.
An Willie zeigen sich klassische Verdrängungsmerkmale: Sie scheint nicht traurig zu sein, sondern viel mehr stolz darauf, alle Verehrer ihrer Schwester geerbt zu haben. Nur ein Detail an ihrer traurigen Lebensgeschichte scheint sie wirklich traurig gemacht zu haben: „Im Kino spielen immer Geigen, wenn jemand stirbt, aber bei Alwa spielten keine.“Diese kindliche Naivität, gekoppelt mit der Kaltschnäuzigkeit der Realität, bringt hier ein Stück auf die Bühne, das mit den Emotionen des Publikums spielt: Das Lachen eines fröhlich tänzelnden Mädchens zieht das Unglück der Einsamkeit nach und wickelt sich darin ein, sodass am Ende der Sequenz nur eine stumme Willie übrig bleibt, die auf den Eisenbahngleisen balanciert.
Das letzte der vier Stücke, „Die Rache der Frau von P.“von Johannes Chwalek brachte eine klassische Tragikomödie auf die Bühne: Das Publikum findet sich in einem edlen Zimmer wieder, welches direkt aus dem Schloss Versailles hätte kopiert sein können. Darin befinden sich die Dame von Pommeraye (Sophia Planck) und der Marquis von Arcis (Georg Noll). Die einst schimmernde Liebe der beiden ist nun erloschen – das ahnte die Frau von P. bereits. Um Rache zu nehmen und den Schmerz zu überwinden, plant sie nun eine Intrige, in der sie sich als Freund des Marquis in Szene setzt und den Anschein aufrechterhält, ihr würde es nichts ausmachen, dass die Liebe zwischen ihnen beiden erloschen ist.
Doch das ist nur ein falsches Spiel: Tatsächlich manipuliert sie zwei Prostituierte so, dass sie sich als fromme Betschwestern ausgeben, bis eine davon den Marquis heiraten soll. Dann, kurz vor der Hochzeit, lässt die Frau von P. jedoch alles auffliegen und offenbart dem Marquis, dass seine fromme Geliebte in Wahrheit gar nicht so fromm ist, und dass ihm jeder beteiligte nur eine Täuschung vorgespielt hat. Der Marquis verkörpert zum Schluss einen gebrochenen Mann, der nicht nur Liebe, sondern auch Freundschaft verloren hat. Die gefallene Perücke am Schluss steht sinnbildlich für den Sturz des Marquis – denn, je höher das Podest, desto tiefer der Fall. Aufführungen Weitere Aufführungen der vier Theaterstücke von Dramalution im Jugendzentrum Matrix gibt es noch am 13., 14. und 15. April ebenfalls jeweils um 19.30 Uhr zu besuchen. Der Eintritt ist frei. Über Spenden freuen sich die Künstler.