Daniel Cohn-Bendit
Er ist nicht nur eine der zentralen Figuren der Studentenbewegung, sondern auch ihr Popstar – und zwar in Frankreich und in Deutschland. Daniel Cohn-Bendit, „Dany le Rouge“, der „rote Dany“, wurde durch seine Auftritte und Reden auf den Barrikaden der Mai-Revolten in Paris 1968 international bekannt. Ein Foto, das ihn als Straßenkämpfer breit grinsend einem behelmten Polizisten der nationalen Einheit CRS gegenüber zeigt, ging um die Welt. Und später wurde der 1945 als Kind deutsch-jüdischer Eltern in Frankreich geborene begnadete Agitator als führender Kopf der Frankfurter Sponti-Szene (Joschka Fischer gehörte dort zu seinen Mitstreitern) und Grünen-Politiker eine Schlüsselfigur der rebellischen Jugendbewegung der 1970er Jahre. Sein Name ist in Deutschland wie in Frankreich zum Synonym für 1968 geworden. Cohn-Bendit selbst sagt: „In Deutschland bin ich bekannt, in Frankreich eine Ikone.“
Ein junger, redegewandter, furchtloser junger Mann von Anfang 20, Sommersprossen im Gesicht, Anführer der Studentenproteste in Nanterre und später an der Sorbonne in Paris, wo die Unruhen im Mai in Straßenschlachten mit der Polizei gipfelten. Dany le Rouge legte sich mit allen an – auch mit den alten Stalinisten unter den Pariser Intellektuellen. Cohn-Bendit vertrat in einem Gespräch mit Jean-Paul Sartre die Meinung, das Ziel der Studentenbewegung sei letztlich der Sturz der Regierung de Gaulle. CohnBendit pendelte in diesen bewegten Tagen zwischen Paris und Berlin, wo er als Redner auf einer Kundgebung forderte, die französische Trikolore zu zerreißen und durch eine rote Fahne zu ersetzen. Daraufhin verwehrte ihm Frankreich die Wiedereinreise und erließ ein Aufenthaltsverbot gegen den Rebellen. Nach spektakulären Aktionen an der Grenze und schließlich illegal kam Cohn-Bendit zurück nach Frankreich, wo 300 000 Gaullisten gegen ihn demonstrierten. Cohn-Bendit zog nach Frankfurt, wo er in den folgenden Jahren als Aktivist die Sponti- und Hausbesetzerszene mitprägte und 1976 das legendäre Stadtmagazin „Pflasterstrand“gründete. Später ging der Rhetoriker mit Lust an der Provokation für die Grünen in die Politik. Er wurde 1989 als grüner Stadtrat in Frankfurt zum bundesweit ersten Dezernenten für „Multikulturelle Angelegenheiten“. 20 Jahre, von 1994 bis 2014, saß Daniel Cohn-Bendit für die Grünen im Europaparlament. Für Debatten sorgten in den 2000er Jahren Äußerungen des Politikers zur kindlichen Sexualität, die aus den 60er und 70er Jahren stammten. Erhobene Missbrauchsvorwürfe ließen sich nicht erhärten.
Als Medienprofi und Publizist, der den öffentlichen Auftritt liebt und mit seiner näselnden, markanten Stimme zelebrieren kann, war Cohn-Bendit nicht nur als Schauspieler in diversen Filmen zu sehen. Er moderierte auch fast ein Jahrzehnt den Literaturclub im Schweizer Fernsehen (1994 bis 2003). Er hat eine populäre Radiosendung in Frankreich. Seine Lebensleistung als streitbarer Denker und engagierter Demokrat brachte dem Helden der Studentenrebellion diverse Preise ein – unter anderem die Ehrendoktorwürde der Universität Tilburg (Niederlande) für seine Verdienste in Sachen Multikulturalität und Integration von Minderheiten, den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und den Theodor-Heuss-Preis.