Kurvenkönigin der Herzen
Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler gewannen zwar nie Gold, doch für ein Millionenpublikum waren sie ein Traumpaar. Aber nur auf dem Eis
Das Eiskunstlaufen schien sich überlebt zu haben. Sprach man jemanden darauf an, dass der Axel schwierig sei, wurde man, wenn überhaupt, gefragt, bei welchem Klub denn dieser problematische Spieler sein gut bezahltes Dasein fristet. Das hat sich zumindest vorübergehend geändert. Seit Aljona Savchenko und Bruno Massot mit „einer Kür für die Ewigkeit“, wie euphorisierte Sportreporter berichteten, die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang gewonnen haben, gilt das Paarlaufen wieder was.
Marika Kilius und ihr früherer Paarlauf-Partner Hans-Jürgen Bäumler waren für die als WM-Experten in Mailand vor Ort. Im Gegensatz zu Savchenko/Massot blieb den zweifachen Weltmeistern Olympia-Gold verwehrt. Es klingt, als hätte die Weltklasseläuferin der 60er Jahre wieder Lust aufs Eis bekommen, wenn sie von Savchenko/ Massot und dem Olympiatriumph spricht. „Ich bin jeden Schritt mit Aljona in der Kür gelaufen. Bei mir sind die Tränen geflossen.“
Marika Kilius, die an diesem Samstag ihren 75. Geburtstag feiert, beklagt, dass es kaum noch LiveAusstrahlungen ihrer Sportart gibt und hofft, dass schon wegen der Vermarktung des Eiskunstlaufens Savchenko/Massot ihre Karriere nicht auf dem Höhepunkt beenden. In den frühen 60er Jahren war das ganz anders. „Da wurde schon mal die ,Tagesschau‘ verschoben“, erinnert sich Hans-Jürgen Bäumler im Gespräch mit unserer Zeitung.
Kilius/Bäumler waren seinerzeit
ARD
das, was man heute Mega-Stars nennt. Das attraktive Paar war nicht nur Dauergast in der Weltspitze, sondern bediente mit Glanz und Glamour auch die Klatschblätter. Die oft zu schnell vergebene Bezeichnung „Traumpaar“fand ihre ideale Entsprechung in Kilius/ Bäumler. Die Frankfurterin mit den langen Beinen und die Mixtur von Sonnyboy und Schwiegersohn aus Dachau eroberten die Herzen gleich mehrerer Generationen. Auch mit fröhlichen Schlagern („Honeymoon in St.Tropez“). Tante Dora, deren Herz bei TV-Übertragungen Pirouetten drehte, hatte Wetten laufen, in welchem Monat denn die zwei heiraten würden. Die jüngeren Mädchen mit dem Berufswunsch Prinzessin schnitten Fotos aus. Die älteren türmten sich die Haare hoch wie Marika gelegentlich, die ihrerseits Farah Diba kopierte, die Ehefrau des Schahs von Persien.
Wir Buben waren noch zu klein für eine echte Schwärmerei, aber wenn wir zehn Jahre älter gewesen wären, hätten wir sie uns als Partnerin für den Tanz bei Kerzenlicht vorstellen können.
Bis dann der Schrecken in unsere jungen Glieder fuhr. Es war der Abend der Weltmeisterschaft 1962 in Prag. In unserem Wohnhaus hatte noch nicht jeder einen Fernseher. So fiel man bei Frau Rupp ein. Dann kam das Unheil in Form einer eingesprungenen Waage (oder so). Jedenfalls stießen Marika und Hans-Jürgen mit den Schlittschuhen zusammen und stürzten.
Auch Tante Dora trauerte, heiratete doch später Marika den Feuerzeug-Erben Werner Zahn. Und später sogar einen Amerikaner. Seit Juni 2000 ist Kilius Großmutter. In einem häufig zitierten Interview sagte sie neulich: „Sex in meinem Alter wird immer schöner.“Tante Dora hätte das nicht gefallen.