Warum es zum Massaker in Texas kam
Ein Mann feuert in einer Kirche in Sutherland Springs um sich. Mindestens 26 Menschen sterben im Kugelhagel. Ein religiöser Fanatiker? Ermittler gehen von einem anderen Motiv aus
Johnnie Langendorff fährt mit seinem Truck durch die staubigen Straßen nahe San Antonio. Dann kommt er an einem Holzkirchlein vorbei, der „First Baptist Church“. Es ist die Kirche des 350-Seelen-Ortes Sutherland Springs. Ihm fällt ein Auto mit laufendem Motor und aufgerissener Tür auf. Er hält an.
Jetzt sieht er, wie ein in Schwarz gekleideter Mann mit einer Waffe zum Auto läuft. Hinter ihm ein anderer. Mit Gewehr. Es fallen Schüsse. Der Flüchtende springt ins Auto, rast davon. Kurz darauf steht der Mann mit dem Gewehr neben Langendorff. Er erzählt ihm von dem Massaker in der Kirche und sagt: „Wir müssen den Kerl kriegen.“
Langendorff ist Zeuge einer der schlimmsten Bluttaten in den USA der vergangenen Jahre. Er schildert anschaulich, was er erlebte, nachdem der 26-jährige Devin Patrick Kelley in die zum Sonntagsgottesdienst versammelte Gemeinde gefeuert hatte. Kelley metzelte 26 Menschen nieder. Das jüngste Opfer war den Ermittlern zufolge 18 Monate alt, das älteste 77 Jahre. Angehörige von drei Generationen einer Familie starben, ebenso eine Schwangere. Kelleys Motiv: „Familienstreitigkeiten“. Die Tat habe keinen rassistischen oder religiösen Hintergrund, hieß es Montagabend Zeit. Man wisse, dass der Täter wütend auf seine Schwiegermutter gewesen sei, sagte Freeman Martin vom texanischen Ministerium für Öffentliche Sicherheit bei einer Pressekonferenz. Er habe ihr Nachrichten mit Drohungen geschrieben. Die Frau habe die Kirche in der Vergangenheit besucht. Am Sonntag war sie nicht dort. Kelley war wegen Misshandlung seiner ExFrau und Kinder vorbestraft und 2014 unehrenhaft aus der Air Force entlassen worden.
Das alles kann Johnnie Langendorff nicht wissen. Während der Verfolgungsjagd hält er am Sonntag via Notruf Kontakt mit der Polizei. Etwa 15 Kilometer außerhalb von Sutherland Springs kommt das Auto des mutmaßlichen Täters plötzlich von der Straße ab und rauscht in ei- nen Graben. Langendorff, erzählt er, hält zehn Meter vor dem Auto. Sein Beifahrer springt heraus und zielt auf den Mann im Auto. „Er rief ihm zu: Ergib dich! Aber es bewegte sich nichts mehr.“
Kurz darauf ist die Polizei vor Ort und stellt den Tod des Mannes fest. In dessen Auto finden die Beamten die Tatwaffe, ein Nachbau des AR15-Schnellfeuergewehrs der US-Armee, sowie weitere Waffen und Munition. Es gebe Hinweise darauf, dass der Täter sich selbst getötet habe, sagte Ministeriumsmitarbeiter Martin. Eine Obduktion solle die genaue Todesursache klären.
Die Menschen in dem Örtchen rätseln noch darüber, warum ausgerechnet Sutherland Springs zum Schauplatz des blutigsten Massakers in der Geschichte des Waffen lieunserer benden US-Bundesstaates Texas wurde, da liefert Präsident Donald Trump aus Japan bereits eine Erklärung. Es handele sich um eine „teuflische Tat“einer Person, die offensichtlich „mentale Probleme“habe. „Das hat mit Waffen nichts zu tun.“
Wie andere führende Republikaner bietet Trump den Angehörigen Gebete und Gedanken an. Der zum Tatort herbeigeeilte Gouverneur von Texas, Greg Abbott, mischt sich unter die Angehörigen, die am Sonntagabend bei einer Kerzenandacht der Opfer gedenken. Ihm stehen Tränen in den Augen. An seiner Einstellung zum US-Waffenrecht ändert sich nichts. Ein Massaker wie in Sutherland Springs lasse sich leider kaum verhindern. Er und Parteifreunde raten zu mehr Waffen in den Gotteshäusern.