Glücklich ist, wer einen Job hat
Junge Flüchtlinge erhalten oft keine Arbeitserlaubnis. Das führt zu Langeweile und Frust und letztlich auch zu Konflikten. Die Zahl der straffällig gewordenen Jugendlichen steigt. Was den Migranten hilft
Von der Anfangseuphorie ist nicht mehr viel zu spüren. Bei den jungen Flüchtlingen, die größtenteils ab dem Sommer 2015 nach Augsburg gekommen sind, hat sich der Alltag eingestellt. Und der sieht oft recht trist aus. Denn die wenigsten erhalten eine Arbeitserlaubnis. Das bedeutet, dass die mehrheitlich jungen Männer zwar Sprachkurse und auch die Berufsschule besuchen, es am Nachmittag und an den Wochenenden aber nicht mehr viel für sie zu tun gibt. Langeweile entlädt sich oft in Frust und Aggression, kann auch Erwin Schletterer bestätigen. Der Geschäftsführer des Vereins Brücke, der sich um straffällige Jugendliche kümmert, bemerkt einen markanten Anstieg an kriminell gewordenen jungen Männern mit Flüchtlingshintergrund. „Im Jahr kommen rund 1300 straffällige Jugendliche, die vom Richter eine Arbeitsweisung erhalten haben, zu uns. Sie sind in der Regel zwischen 14 und 21 Jahren alt. Im Jahr 2016 waren darunter fünf Prozent Flüchtlinge, in diesem Jahr hat sich die Zahl bereits verdoppelt und liegt jetzt schon bei zehn Prozent“, sagt er.
Dabei hat es eine Verschiebung gegeben. Anfangs waren Straftaten wie Leistungserschleichungen dabei. „Da sind junge Flüchtlinge beim Schwarzfahren erwischt worden und wussten wahrscheinlich wirklich nicht, wie es richtig funktioniert.“Inzwischen ist Körperverletzung, die am häufigsten verübte Straftat. Erwin Schletterer weiß auch warum. „Gerade bei Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahren gibt es ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko. Junge Flüchtlinge stellen dazu noch eine Risikogruppe dar.“Denn sie lebten vorwiegend in Gruppen mit anderen jungen Flüchtlingen zusammen, sie hätten allesamt einen Mangel an familiären Bindungen vor Ort und oft auch keine aussichtsreichen Perspektiven. „Bei vielen geht einfach nichts voran. Das frustriert sie“, sagt Schletterer. Dadurch geraten sie oft in Streit, vor allem auch untereinander. Derzeit leben in Augsburg 292 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Zuständigkeit der Stadt Augsburg sowie etwa 70 junge Menschen, die zwar in Augsburg leben, aber in die Zuständigkeit anderer Jugendämter fallen, teilt Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) mit.
Die Unterbringung ist unterschiedlich. Es gibt junge Menschen, die in Jugendwohngruppen leben, mit therapeutischem, mit heilpädagogischem oder sozialpädagogischem Rahmen. „Hier nimmt die Betreuungsintensität jeweils ab“, sagt Kiefer. Dann gebe es junge Menschen, die in sogenannten teilbetreuten Wohngemeinschaften leben, wo beispielsweise nachts niemand vom pädagogischen Personal da ist. Kiefer: „Hier sind insbesondere junge Volljährige untergebracht. Daneben gibt es noch Jugendwohnheime, wie beispielsweise bei Kolping, die ebenfalls Plätze zur Verfügung stellen.“Im Frère-Roger-Kinderzentrum am Kobelweg in Kriegshaber leben in einer Jugend-Wohngruppe rund 20 unbegleitete Flüchtlinge im Alter zwischen 13 und 19 Jahren. Heilpädagoge Roi Kfir kümmert sich um die jungen Männer und macht sich Sorgen. Er habe festgestellt, dass eine zu große Lücke im Tagesablauf verbleibt. Dadurch entstehe ein Gefühl von Leere, Unzufriedenheit und Frustration. Ängste und Aggressionen würden sich in Gewalt gegen sich selber oder andere entladen. „Viele Jugendliche ritzen sich die Haut auf“, sagt er. Es gebe teils auch Probleme mit Drogen. Roi Kfir unternimmt viel mit den Jugendlichen, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern, dem Gefühl von Nutzlosigkeit entgegenzutreten.
Sie bemalen Wände in der Einrichtung, bauen Hochbeete, schneiden Hecken und haben Gemüse angebaut und auch wieder geerntet. Er besucht mit seinen Schützlingen das Sozialkaufhaus Contact in Haunstetten. Dort sollen sie sehen, dass auch gebrauchte Gegenstände und Kleidung gut sind, noch dazu viel günstiger als im regulären Geschäft. Einige Jugendliche haben dort schon einmal ehrenamtlich ausgeholfen und durften sich dann einen Stuhl, Tisch oder Sofa für ihr Zimmer aussuchen, andere haben Kleidungsstücke gewählt. Mitinitiatorin Roswitha Kugelmann unterstützt Roi Kfir und die Jugendlichen. Einer von ihnen, der Afghane Zabiullah, den alle nur „Zabi“nennen, hat am 15. September eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen. „Alle kann ich nicht retten, aber wenigstens einem wollen wir richtig helfen“, sagt Kugelmann. Monatelang hätten sie und ihr Team sich darum bemüht, dass Zabiullah die Arbeitserlaubnis erhält. Als seine Schwester seine Tazkira schickte – ein Dokument, das afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine Geburtsurkunde und Identitätsnachweis dient –, erhielt er grünes Licht. Kugelmann: „Das Dokument haben wir bezahlt. Wir haben jetzt einen Studenten engagiert, der Zabi Nachhilfe in Deutsch gibt. Das ist alles nicht einfach, aber uns ist es wichtig.“
Im Tagesablauf verbleibt eine zu große Lücke