Kreml Kritiker Nawalny ist wieder auf freiem Fuß
Katalonien steht, nach Monaten des separatistischen Konfrontationskurses, vor einem politischen Scherbenhaufen. Die Gesellschaft ist tief gespalten. Der soziale Bruch geht durch Freundeskreise, Familien, Dörfer und Städte. Der Graben zwischen dem antispanischen und dem prospanischen Lager ist so tief geworden, dass auch eine gewaltsame Konfrontation nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Und auch sonst ist Kataloniens Regierungschef Puigdemont dabei, alles zu verspielen – nicht nur seinen Job, sondern auch die Zukunft der Region, die er vertritt. Mehr als 1000 katalanische Unternehmen haben in den letzten Wochen ihren Firmensitz in stabilere spanische Regionen verlegt. Und der wirtschaftliche Aderlass hat gerade erst begonnen.
Drei Wochen nach dem Unabhängigkeitsreferendum hat der spanische Regierungschef Mariano Rajoy seine Drohung am Samstag wahr gemacht: Nach einer Krisensitzung des Kabinetts in Madrid leitete er die Entmachtung der katalanischen Regionalregierung ein. Damit hält der 62-Jährige unbeirrt an seinem kompromisslosen Kurs gegenüber den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen fest. Seit Wochen hatte Rajoy damit gedroht, den Artikel 155 in der spanischen Verfassung anzuwenden. Dieser sieht die Beschneidung regionaler Autonomierechte vor. Nun forderte der konservative Politiker den spanischen Senat auf, den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und alle anderen Mitglieder der Regionalregierung ihrer Ämter zu entheben. Binnen sechs Monaten sollen dann Neuwahlen in Katalonien stattfinden.
Als Reaktion darauf gingen am Samstag 450 000 Demonstranten in Barcelona auf die Straße. Sie protestierten gegen den harten Schritt der spanischen Regierung. Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont sprach von einem „inakzeptablen Angriff auf die Demokratie“und nannte Rajoys Vorgehen sogar einen „Putsch“. Dieser verteidigt sich: Die katalanische Regierung lasse ihm und seinem Kabinett keine andere Wahl. Die Regionalregierung in Barcelona war trotz der Drohungen aus Madrid nicht eindeutig von ihren Unabhängigkeitsbestrebungen abgerückt. Und so ist deren Entmachtung offenbar das einzige Mittel, mit dem die spanische Regierung hofft, den einseitigen und damit illegalen Unabhängigkeitsplan der katalanischen Führung stoppen zu können. Dass es so weit kommen musste, ist traurig. Aber welche Alternativen gab es angesichts der massiven Gesetzesbrüche der Separatistenführung in Barcelona? Kann eine Staatsregierung, welche den Auftrag hat, das Allgemeinwohl, die Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen, den organisierten Ungehorsam einer rebellischen Regionalregierung tolerieren? Einfache Antworten gibt es auf diese Fragen nicht.
Dass nun ausgerechnet Kataloniens Separatisten nach Madrids angekündigtem Eingreifen in der Region von einem „unrechtmäßigen Angriff auf die Demokratie“sprechen, zeigt nur, wie weit sie sich von der Realität entfernt haben. Auch mit einem „Staatsstreich“, wie behauptet wird, hat dies nichts zu tun. Im Gegenteil: Das Vorgehen der spanischen Regierung ist eben ganz klar durch den Artikel 155 der nationalen Verfassung gedeckt. Ein Paragraf, der in ähnlicher Form in vielen Konstitutionen europäischer Länder steht – zum Beispiel im deutschen Grundgesetz.
Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die politische Geisterfahrt Puigdemonts, die schon jetzt schwere Schäden verursacht hat, bald zu Ende geht. Noch bleiben ihm ein paar Tage Zeit, um freiwillig die Notbremse zu ziehen. Er könnte beispielsweise selbst Neuwahlen ausrufen, was nach Meinung vieler Katalanen – so sagt es jedenfalls eine aktuelle Umfrage – ein vernünftiger Ausweg aus der Sackgasse sein könnte. Andernfalls sind Puigdemonts Tage als Kataloniens Regierungschef gezählt und ihm droht die Anklage wegen Anzettelung einer Rebellion. Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach einer 20-tägigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Bereits am Abend wollte der Kreml-Kritiker, der trotz eines Verbots bei den russischen Präsidentschaftswahlen 2018 antreten will, an einer Kundgebung teilnehmen. „Hi. Ich bin draußen“, schrieb Nawalny im sozialen Netzwerk Instagram und postete dazu ein Foto von sich, das ihn auf der Straße zeigt. Der Oppositionspolitiker war Anfang Oktober zu der Haftstrafe verurteilt worden, weil er zur Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen aufgerufen hatte.