Mozart ist wie eine Kugel
Aus Augsburg kommt ein Band mit Erhellendem über den Komponisten
Es gehört zum Phänomen Wolfgang Amadeus Mozart, dass Gedrucktes über das Genie zwar längst Bibliotheken füllt, ein Versiegen dieser Produktion aber keineswegs abzusehen ist. Dieser Mensch ist einfach nicht handfest zu greifen, was wiederum anhaltende Herausforderung für Schriftsteller aller Art, aber auch für die Wissenschaft ist.
Auch den Augsburger LiteraturProfessor Mathias Mayer, immer neugierig auf die Schnittstellen zwischen Literatur und Musik, lässt der quecksilbrige Mozart nicht los. Wiederholt schon hat er ihn zum Gegenstand von Uni-Ringvorlesungen gemacht, und als weiterer Niederschlag ist nun ein Band mit „Mozart-Resonanzen“ aus der Feder verschiedener Autoren erschienen.
Das Buch mit dem schlichten Titel „Von Tönen und Texten“wird gewiss all denen Vergnügen schaffen, die schon mit den Grundzügen von Mozarts Leben und seiner Musik vertraut sind, ohne doch Spezialisten zu sein. Die rund ein Dutzend Themen, die hier angeschlagen werden, sind allesamt originell, bewegen sich jenseits des biografischen wie interpretatorischen Mainstreams. Der Leser stößt auf wundersame Details: Etwa, dass im Park des Schlosses Tiefurt, Sommerresidenz der Weimarer Herzogin Anna Amalia, schon 1799 neben Büsten von Goethe, Herder, Wieland auch Mozart einen Platz als steinerne Figur erhielt – gerade mal acht Jahre nach dem Tod des Komponisten und somit, wie Thorsten Vang schildert, ein frühes Zeichen des rasch wachsenden Mozart-Ruhmes. Von dieser frühesten Zeit der Mozart-Rezeption geht auch Ulrich Konrad aus, wenn er der Frage nachgeht, inwieweit die Musik des Komponisten in biografischen Abhandlungen über ihn eine Rolle spielte – und dieses Mischungsverhältnis in ausgewählten Beispielen dann bis hin zu heutigen Publikationen untersucht.
Helmut Koopmann wiederum schlüsselt auf, wie Eduard Mörike in seiner Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“über einer vordergründig heiteren Mozart-Lebensepisode dunkle (Don Giovanni-)Schatten aufziehen lässt. Und damit zugleich der als bieder geltenden Erzählkunst des Biedermeier die Tür zu komplexen Tiefgründen öffnet. Jürgen Hillesheim erkundet Brechts Verhältnis zu Mozart: Eine zunächst komplizierte Angelegenheit, da der Dichter die Wirkmacht Mozartscher Musik sehr wohl wahrnimmt, ihr aber die kategorische Forderung nach gesellschaftlicher Wirksamkeit entgegenstellt. Eine Prüfung, die Mozart in Brechts Augen besteht, sodass der Stückeschreiber den Tönesetzer sogar als Kronzeugen seines epischen Theaters aufrufen kann.
Wie gesagt, ein Sammelband, der das ewig rätselhafte Phänomen punktweise erhellt. Mozart in all seinen verwirrenden Facetten „ganz“zu erfassen, ist sowieso vergebliche Müh’, das legt Mathias Mayer gleich in der Einführung dar – Überlegungen, die in eine frappierende Apologie der Mozartkugel münden: In Gestalt der Kugel komme, so Mayer, nämlich einerseits „das Vollendete wie das schwer Festzuhaltende zum Ausdruck“; zugleich aber sei die Kugel „Zeichen einer Unverfügbarkeit“– mithin ein Mozart, der sich „dem Menschen immer wieder entzieht“.
Mozart Resonanzen in Literatur und Wissenschaft. De Gruyter, 233 S., 79,95 ¤.