Der Herr der Weine
Aus seinem Lager beliefert Marco Bauchiero 850 Kunden mit italienischen Weinen. Sie bestellen von weit her. Dabei hat er nicht mal eine Internetseite. Das Geheimnis seines Erfolgs
Da sitzt er, der Urlauber, in der süßen Trattoria, in einer süßen Ortschaft. Die Pasta auf der Gabel, die Antipasti schon verspeist, das Glas Wein in der Hand. Er könnte schwören: Noch nie waren die Nudeln so perfekt al dente, noch nie hat er so guten Wein getrunken. Ach, Italien, deine Küche! Und bei uns? Bei uns gibt es Menschen wie Marco Bauchiero.
Der Italiener sitzt hinter seinem Schreibtisch. Steinfliesen zieren den Boden, Frauen blicken von grellen Postern auf ihn herab, an den Wänden stehen antik anmutende Vitrinen, in der Ecke eine kleine Sitzgruppe, auf dem Couchtisch Limoncello und Dolci. Es ist hektisch an diesem Tag, dem letzten vor der Sommerpause. Ständig klingelt das Telefon und jemand möchte ihn sprechen. Lieferanten, die Spedition, ein Kunde. „Pronto“, sagt Bauchiero dann – oder „Hallo“, je nachdem woher der Anrufer kommt.
In seinem Büro bringt der 45-Jährige Italien zu uns – zumindest den italienischen Wein und das Essen. Damit der Urlauber sich genauso fühlt wie damals, in der süßen Trattoria. Bauchiero beliefert kleine und große Restaurants, Eisdielen und Fachgeschäfte in fast ganz Süddeutschland. „Wir fahren unsere Waren in einem Umkreis von 300 Kilometern aus“, sagt der Italiener.
Der Mittelpunkt dieses Kreises ist Ziemetshausen. Eine kleine Gemeinde im Landkreis Günzburg. Wer sie nicht kennt, kommt dort nicht unbedingt vorbei. Und doch liegt sie für einen Weinlieferanten günstig. In einem Dreieck aus B 300, A8 und A7. Alles Straßen, die seine Fahrer zu den Kunden bringen und Wein, Trüffel und Nudeln aus Italien zu ihm. Doch nicht nur Ziemetshausen findet man als Ortsfremder nicht auf Anhieb. Auch Bauchieros Weinhandel „San Giorgio“wirbt nicht gerade mit blinkender Neonreklame für sich. Im Internet findet sich keine Spur des Großhandels. Keine Homepage, keine Facebook-Seite. Nichts. Nur über einen Eintrag im Branchenverzeichnis der Verwaltungsgemeinschaft Ziemetshausen lässt sich seine Telefonnummer ermitteln. Öffnungszeiten? Muss man schon fragen.
Dennoch hat San Giorgio etwa 850 Kunden – die meisten davon sind Stammkunden. Sie sitzen am Bodensee und im Bayerischen Wald, in Coburg und in Karlsruhe und natürlich in der Region. Wie funktioniert das?
„Mundpropaganda“, sagt Bauchiero, überlegt kurz und schiebt nach: „Harte, harte, harte Arbeit.“Und natürlich das Sortiment: Etwa 500 Weine hat Bauchiero im Angebot. Dazu Grappa, Grisini, Nudeln und Trüffel. Aber nur, wenn es wirklich etwas Besonderes ist. „Wir haben inzwischen Wein aus jeder Region in Italien. Denn genau wie bei der italienischen Küche ist auch bei den Weinen die Vielfalt riesig“, sagt er. Das sei ja das Schöne und für ihn ein Vorteil. Denn ein Koch aus Sardinien freue sich, wenn er seinen Gästen auch sardischen Wein servieren kann, sagt der Importeur.
Dass Großhändler wie Metro oder Cash and Carry ein viel größeres Budget für Werbung haben, scheint den Italiener nicht zu stören. „Wir bieten dafür nur Standardware. Und beraten gezielter“, sagt er. Hat ein Gastronom in einer Ortschaft schon einen Wein, verkauft er ihn dort kein zweites Mal. Und: „Wenn etwas bei Metro oder Cash and Carry ins Sortiment kommt, fliegt es bei mir raus.“Die Strategie scheint aufzugehen. Anfang der 90er kam Bauchiero aus dem Piemont nach Deutschland. An einer Fachschule in der Nähe der Sektund Weinstadt Asti hatte er sich zum Sommelier ausbilden lassen. Der Italiener sollte als Außenhändler ein großes Weingut in Deutschland vertreten. Dann machte er sich 1995 selbstständig und gründete einen kleinen Vertrieb in Kutzenhausen im Kreis Augsburg. Irgendwann wurde es dort zu klein. „Das war ja nur ein normales Wohnhaus“, erinnert sich Bauchiero. Er baute vor sieben Jahren eine Lagerhalle in Ziemetshausen. Beim Bau hat er Wert auf Details gelegt: Die Hallendecke wird nicht von Stahlträgern gehalten, sondern von geschwungenen Holzbalken. Hinter der Eingangstür steht ein großer Tresen, der Gäste willkommen heißt. Denn der Geschäftsmann will auch Privatkunden anlocken. Sie kommen, aus Augsburg und sogar vom Bodensee. Weil der Großhändler sich bemüht, auch für sie das Richtige zu finden.
Einmal im Monat veranstaltet er Weinproben und hat immer etwas zum Probieren da. Wahrscheinlich auch, weil sich jeder an diesen einen Urlaub erinnert. Damals in der süßen kleinen Trattoria. Als der Wein so gut war wie nie.