Sächsische Zeitung (Weißwasser)
Soko Argus jagt die Panzerknacker-Bande
Rund zehn Jahre lang räumt eine rumänische Bande Tresore aus – von Zittau bis Spanien. Ermittler der Soko Argus aus Görlitz kommen ihr auf die Spur. Für die Soko ist trotzdem bald Schluss.
Die Bauern trifft es zuerst. In den Jahren 2021 und 2022, von Dezember bis März, gibt es plötzlich eine unerklärliche Zahl von Fällen, in denen Tresore in landwirtschaftlichen Betrieben ausgeräumt werden. „Es handelte sich um sogenannte kalte Arbeiten. Das heißt, die Tresore wurden aufgeflext. Bei ,heißen Arbeiten‘ werden sie mit dem Brenner aufgeschnitten“, sagt Jürgen Lamatsch. Er ist der leitende Ermittler der Sonderkommission Argus in der Polizeidirektion Görlitz. Die Fälle, mit denen es die Soko zunächst zu tun bekommt, erstrecken sich über die gesamte Polizeidirektion, von Zittau bis in den Bautzener Raum.
Taten professionell begangen
„Wir dachten erst, es handelt sich um tschechische Täter, weil es vor allem Betriebe in Grenznähe betraf“, so Jürgen Lamatsch. Ein Irrtum, wie sich später herausstellen soll. Dass der Fall europäische Dimensionen annehmen würde, war damals auch noch nicht klar. Denn so schnell, wie die Tresorknacker-Serie beginnt, so schnell endete sie wieder – und startet erneut im November 2022, dauert bis Januar 2023.
Den Ermittlern fällt auf: Die Taten sind sehr professionell ausgeführt. Elektronische Sicherheitssysteme werden lahmgelegt, ansonsten mit brutaler Gewalt Türen, Zugänge aufgebrochen. Der Soko Argus lässt das alles keine Ruhe. Die Polizisten gleichen zunächst die Daten sachsenweit ab. Ergebnis: Ähnliche Fälle gibt es im Raum Chemnitz und Zwickau.
Die Soko fragt sich deutschlandweit weiter durch und erfährt: Vergleichbare Fälle treten in Bayern und Nordrhein-Westfalen auf. Und: Es gibt eine DNA-Spur aus einem der früheren Fälle. Die ist in einer Datenbank gespeichert. Sie führt zu einem Rumänen. Nun hat die Soko einen Namen. Über das Landeskriminalamt kommt es zur europaweiten Abfrage. Der Rumäne ist in Spanien, Frankreich, Österreich bereits registriert. Im Zusammenhang mit ihm tauchen immer wieder drei weitere Namen in den Datenbanken auf – offensichtlich der Kern einer Bande, allesamt Rumänen. Weitere Ermittlungen ergeben, dass die Bande in den Sommermonaten vor allem in Spanien und Frankreich aktiv ist, im Winter eher in Deutschland und Österreich.
Rund zehn Jahre lang soll die Bande bereits europaweit ihr Unwesen getrieben haben, vor allem eben in Spanien und Frankreich. Landwirtschaftliche Betriebe waren dabei nur ein Teil. Vor allem wurden Gebäude heimgesucht, die etwas abseits standen. „Die Täter waren extrem polizeierfahren. Sie haben sich bis zwei, drei Kilometer vor die Tatorte fahrenlassen, sind dann zu Fuß weitergegangen. Die Autos waren zugelassen, nicht gestohlen. Die Werkzeuge für die Tresoraufbrüche haben sie aus den betroffenen Betrieben genommen, hatten selbst kein eigenes Werkzeug dabei“, schildert Jürgen Lamatsch. Im Zweifels- und
Kontrollfall waren es eben Touristen.
Die Tatorte werden wohl per Internet ausgesucht. Ob ein Tresor mit Geld drinsteht – Glückssache. Jürgen Lamatsch schätzt die Fehlerquote auf über 50 Prozent. „Aber es gab wohl immer einen Plan B, einen weiteren Betrieb in der Nähe“, sagt er. Die Täter nehmen nur Bargeld mit, sogar Schmuck lassen sie liegen.
Treffen mit Europol in Den Haag
Für die „Arbeiten“in Deutschland und Österreich mieten sich die Bandenmitglieder in Hotels, Pensionen in Tschechien ein – ohne die Anmeldepflicht zu beachten. Es ist auch nicht nur der „harte Kern“der vier Mitglieder, der aktiv wird, bis zu zehn weitere Täter werden angeheuert, sagt der Görlitzer Ermittlungschef. Tschechische Betriebe bleiben von den „Aktivitäten“verschont, das Land dient als Rückzugsort.
Schließlich schaltet sich Europol ein. Jürgen Lamatsch reist zum Informationsaustausch mit seinen europäischen Kollegen ins niederländische Den Haag. „Normalerweise läuft es so: Wir folgen den Tätern, stellen sie auf frischer Tat“, sagt der Ermittler. Das ist in diesem Fall anders. Denn die Bande agiert sehr weiträumig, ändert überraschend das Zielgebiet. Das bedeutet, die Verdächtigen können nur per Haftbefehl bei Kontrollen gestellt werden. Tatsächlich gelingt es, vier europäische Haftbefehle zu erwirken.
Innerhalb von zwei Monaten wird der „Kern“verhaftet: Drei mutmaßliche Täter werden in Deutschland gestellt, einer in Österreich. Drei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, einer ist auf Bewährung draußen, an einem Folgehaftbefehl wird wohl gearbeitet.
Soko Argus gibt es bald nicht mehr
Für die Soko Argus ist das Ganze ein weiterer großer Erfolg und ein Beweis, dass die europäische Zusammenarbeit funktioniert. Seit fünf Jahren gibt es die Sonderkommission bei der Polizeidirektion Görlitz. Sie war angetreten, um mittlere und schwere Grenzkriminalität zu bekämpfen. Erst im vergangenen Jahr gelang ihr ein Schlag gegen eine europaweit agierende Einbrecherbande. Sie hatte sich auf Werkzeuge und Buntmetalle spezialisiert, brach unter anderem in eine Versuchsanlage der TU Dresden im Boxberger Ortsteil Kringelsdorf ein. Die gemeinsame Fahndungsgruppe Neiße als Teil der Soko Argus hatte es im vergangenen Jahr vor allem mit Schleuserkriminalität zu tun.
Trotz aller Erfolge: Am 1. Juli ist Schluss mit der Soko – rein theoretisch. „Die Arbeit bleibt natürlich“, sagt Jürgen Lamatsch. Aber Sonderkommissionen seien eben von vornherein nur für einen befristeten Zeitraum konzipiert. Die Mitarbeiter werden künftig innerhalb der Inspektion arbeiten. Natürlich habe eine Soko Vorteile, so Jürgen Lamatsch. So konnte sich ein Kollege eben vor allem auf die rumänische TresorKnackerbande konzentrieren.
Wie hoch der Schaden ist, den die Rumänen verursacht haben – noch unklar. Er geht wohl in die Millionen. Allein innerhalb der Polizeidirektion Görlitz sind 32 Fälle bekannt geworden. Das Geld wurde bis heute nicht gefunden. Die rumänische Polizei hat auch das „Nest“der Bande noch nicht geortet, geht offenbar aber davon aus, dass es das gibt – mit einem Tresor, in dem ein Großteil des Bargeldes aus den Raubzügen in Europa gelagert ist.