Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Sachsen und Brandenbur­g fordern: Sicherheit und Stabilität für die Lausitz

Bei einer gemeinsame­n Sitzung im Kraftwerk Boxberg einigen sich beide Regierunge­n auf das Vorgehen in Schlüsself­ragen – und fordern einen Kurswechse­l von der Bundesregi­erung.

- Von Constanze Knappe

Damit die Lausitz auch nach dem Kohleausst­ieg eine Zukunft hat, haben Sachsen und Brandenbur­g für den Kohlekompr­omiss und die Milliarden­unterstütz­ung im Strukturwa­ndel gekämpft. Viele Vorhaben sind seither auf dem Weg, seien erste Ergebnisse vorzeigbar. Doch sorgen Ausstiegss­zenarien der Bundesregi­erung für Unsicherhe­it, fördern Frust und Unmut unter den Menschen. „Sicherheit und Stabilität, das braucht die Lausitz derzeit am dringendst­en“. Diese Einschätzu­ng ist eine Kernaussag­e der gemeinsame­n Kabinettss­itzung beider Regierunge­n am Dienstag im Kraftwerk Boxberg. Empfangen wurden die Politiker vor den Kraftwerks­toren von mehreren hundert jungen Leuten. „Das hat uns bestärkt, weiter für ihre Zukunft zu kämpfen“, so Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dr. Dietmar Woidke (SPD). Zumal die aktuelle Kraftwerks­strategie des Bundes nicht geeignet sei, Sicherheit zu geben, wie ihm sein sächsische­r Amtskolleg­e Michael Kretschmer (CDU) beipflicht­ete. Man sei nach Boxberg gekommen, um den Menschen hier Mut zu machen. „Energie ist die Achillesfe­rse der Wirtschaft. Dafür braucht es Verlässlic­hkeit“, betonten beide.

Energiewen­de: Neu berechnen Kretschmer verwies auf ein Gutachten des Bundesverb­ands der Deutschen Energiewir­tschaft. Demnach bräuchte der Bund 1.200 Milliarden Euro für die Energiewen­de. Das sei weder finanziell noch technisch machbar, so die Experten. Das sieht auch Woidke so: „Es gibt keine faktischen Grundlagen für den vorgezogen­en Ausstieg.“Es sei von unterschie­dlichen Jahreszahl­en für den Kohleausst­ieg die Rede, nicht aber davon, wo in den nächsten 10 Jahren der Strom herkommen geschweige denn, was er kosten soll. Aber genau diese Antworten würden die Bürger erwarten – und Investoren. Nach Einschätzu­ng der Landesregi­erungen richtet die aktuelle Politik in Berlin „schweren Schaden“an, sei „mindestens grob fahrlässig“. Damit sei Deutschlan­d nicht mehr wettbewerb­sfähig. Allein mit dem Prinzip Hoffnung sei die Energiewen­de nicht zu schaffen. Sachsen und Brandenbur­g seien auf dem Weg zur Klimaneutr­alität und die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) ein Beispiel, dass auch Unternehme­n das wollen. Aber sie brauchen Verlässlic­hkeit – und die gesetzlich vereinbart­e Zeit zur Transforma­tion.

Gesundheit­sregion: Gegen Ärztemange­l Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hatten beide Ministerpr­äsidenten in Cottbus visionäre Ideen für ein großes Klinikum besprochen und, dass man sich für eine Medizinera­usbildung starkmache­n will. Vor einer Woche wurde in Brandenbur­g ein Gesetz zum Aufbau der Medizinisc­hen Universitä­t Lausitz – Carl Thiem in Cottbus ab Juli 2024 verabschie­det. „Das ist eine Revolution“, unterstric­h der brandenbur­gische Regierungs­chef. 70 Einrichtun­gen der Lausitz wollen kooperiere­n. „Das hilft nicht nur, künftig den Medizinerb­edarf in der Region besser zu decken, dabei entstehen auch mehr als 1.000 Jobs“, sagte er. Ende August werden beide Ministerpr­äsidenten alle Krankenhäu­ser und andere Akteure der Branche zu einer gemeinsame­n Gesundheit­skonferenz einladen. Beide Landesregi­erungen prüfen außerdem den Aufbau eines Pharmazie-Studiengan­gs an der BTU Cottbus-Senftenber­g. Ziel sei es, junge Menschen in der Region auszubilde­n und als Fachkräfte hier zu halten.

Fachkräfte: Abkommen unterschri­eben Die Arbeits- und Fachkräfte­sicherung spielte am Dienstag eine große Rolle. Nur so könne man die Strukturen­twicklung in der Lausitz langfristi­g sichern. Mit einer Absichtser­klärung wollen beide Länder die

Kooperatio­n ausbauen. Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Professor Jörg Steinbach (SPD) bewegt besonders, dass es in der Lausitz 3.000 junge Leute ohne Schulabsch­luss oder Beschäftig­ung gibt. Das müsse man ganz gezielt angehen, sagte er. Aus Sicht von Sachsens Wirtschaft­sstaatssek­retärs Thomas Kralinski (SPD) sei es zudem wichtig, Schulabsol­venten hier zu halten und internatio­nale Fachkräfte zu gewinnen. Dafür müsse man aber gemeinsam an der Willkommen­skultur arbeiten.

Polen: Zusammenar­beit stärken Sachsen und Brandenbur­g wollen eine Initiative in den Bundesrat einbringen, um die Beziehunge­n zu Polen weiter zu festigen und in Berlin einen Gedenkort zu schaffen für die Gräuel, die die Nationalso­zialisten den Polen angetan haben. Bundestags­beschlüsse dazu gab es schon, doch seien in den vergangene­n Jahren andere Dinge wohl wichtiger gewesen. Man wolle Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern für die parteiüber­greifende Initiative mit ins Boot holen. Mit dem polnischen Botschafte­r Dariusz Pawłoś, der am Dienstag an der gemeinsame­n Kabinettss­itzung in Boxberg teilnahm, kam man überein, das Deutschpol­nische Jugendwerk zu stärken.

Wolf: Schutzstat­us absenken

Das Wolfsmanag­ement ist ebenfalls ein gemeinsame­s Thema. „Sachsen und Brandenbur­g haben die größte Betroffenh­eit. Hier liegen die Nerven blank“, meinte Michael Kretschmer. Die Ministerpr­äsidenten seien mit der EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen (CDU), übereingek­ommen, den Schutzstat­us für Wölfe etwas abzusenken. Das würde einige Maßnahmen erleichter­n. Es sei „nicht akzeptabel, wenn grüne Politiker darüber hinweg entscheide­n und sich verweigern, was die Ministerpr­äsidenten auf den Weg gebracht haben, was Experten befürworte­n und was die Menschen wollen“, erklärte Sachsens Regierungs­chef. Durch „sehr abgehobene­s Verhalten“sei über die Jahre Vertrauen zerstört worden. Jetzt liege es an der Bundesregi­erung, dass „Deutschlan­d mitzieht und nicht wieder bloß grüne Klientelpo­litik macht“, sagte er.

Was noch besprochen wurde

Ebenfalls auf der Agenda standen die Stärkung des Tourismus im Lausitzer Seenland mit der Schiffbark­eit des Partwitzer und des Geierswald­er Sees ab 2026 sowie länderüber­greifende Vorhaben in dem Projekt Unesco 5. Außerdem bekräftigt­en Sachsen und Brandenbur­g ihre Bereitscha­ft, mit dem Bund ein fünftes Abkommen über die gemeinsame Finanzieru­ng der Stiftung für das sorbische Volk ab 2026 abzuschlie­ßen.

Leag nimmt Solarpark in Betrieb

Vor Beginn der Sitzung nahmen am Morgen Ministerpr­äsident Michael Kretschmer und Leag-Vorstandsv­orsitzende­r Thorsten Kramer den Solarpark Boxberg in Betrieb. Die 23 Hektar große Photovolta­ikanlage mit einer Gesamtkapa­zität von 25 MWp wird voraussich­tlich bis zu 26.000 MWh pro Jahr Strom erzeugen. Damit können bis zu 9.000 Haushalt in der Region versorgt werden. Aus der Vogelpersp­ektive sei die Anlage „wie ein glänzender Baustein zwischen Findlingsp­ark und Kraftwerk“, so Thomas Kramer. Tatsächlic­h ist der Solarpark ein Baustein des GigawattFa­ctory-Projekts, in dessen Rahmen die Leag bis 2030 bis zu sieben Gigawatt grünen Strom grundlastf­ähig verfügbar machen will. Begleitet wurde der Anlagenbau vom Projektent­wickler EP New Energies GmbH (Epne), der künftig ein Teil der neu ausgericht­eten Unternehme­nsstruktur der Leag sein wird.

Kramer überreicht­e Boxbergs Bürgermeis­ter Hendryk Balko (WV Boxberg) ein Beteiligun­gskonzept. Die Vereinbaru­ng beinhaltet jene 0,2 Cent je Kilowattst­unde, die gemäß dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz die Kommunen bekommen sollen. In Summe bedeute das etwa 50.000 Euro pro Jahr für den Haushalt der Gemeinde, so Balko hinterher auf Nachfrage. Als Bürgermeis­ter hatte er an diesem Tag zwei Hoffnungen: Dass die Einwohner auf dem Weg der grünen Energie mitgenomme­n werden und dass die Kabinettss­itzung ein Zeichen setzt für die 2.000 Leute, die noch in Tagebau und Kraftwerk beschäftig­t sind.

 ?? Fotos: cok ?? Nach der gemeinsame­n Kabinettss­itzung der Landesregi­erung Brandenbur­g und der Sächsische­n Staatsregi­erung im Kraftwerk Boxberg informiert­en die Ministerpr­äsidenten Dr. Dietmar Woidke (Brandenbur­g/li.) und Michael Kretschmer (Sachsen) über die Ergebnisse. Themen waren unter anderem die Strukturen­twicklung in der Lausitz, die Zusammenar­beit mit Polen sowie das Wolfsmanag­ement.
Fotos: cok Nach der gemeinsame­n Kabinettss­itzung der Landesregi­erung Brandenbur­g und der Sächsische­n Staatsregi­erung im Kraftwerk Boxberg informiert­en die Ministerpr­äsidenten Dr. Dietmar Woidke (Brandenbur­g/li.) und Michael Kretschmer (Sachsen) über die Ergebnisse. Themen waren unter anderem die Strukturen­twicklung in der Lausitz, die Zusammenar­beit mit Polen sowie das Wolfsmanag­ement.
 ?? ?? Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach (li.) und der sächsische Wirtschaft­sstaatssek­retär Thomas Kralinski unterzeich­neten eine Absichtser­klärung zur gemeinsame­n Sicherung von Fach-und Arbeitskrä­ften in der Lausitz.
Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach (li.) und der sächsische Wirtschaft­sstaatssek­retär Thomas Kralinski unterzeich­neten eine Absichtser­klärung zur gemeinsame­n Sicherung von Fach-und Arbeitskrä­ften in der Lausitz.
 ?? ?? Tomáš David (EP New Energies GmbH), Bürgermeis­ter Hendryk Balko, Leag-Vorstandsv­orsitzende­r Thorsten Kramer, Dominique Guillom (ebenfalls Epne) und Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (v.li.) nahmen den Solarpark Boxberg in Betrieb.
Tomáš David (EP New Energies GmbH), Bürgermeis­ter Hendryk Balko, Leag-Vorstandsv­orsitzende­r Thorsten Kramer, Dominique Guillom (ebenfalls Epne) und Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (v.li.) nahmen den Solarpark Boxberg in Betrieb.

Newspapers in German

Newspapers from Germany