Sächsische Zeitung  (Niesky)

49-mal um den Olbersdorf­er See

Ein Lette läuft beim Laufhaus Backyard Ultra 328 Kilometer. Auch Läufer der Region schaffen beachtlich­e Strecken.

- Von Judith Georgi

Mike Sethmacher, Inhaber des Laufhaus Oderwitz, organisier­te mit einem Team von unermüdlic­hen Helfern in diesem Jahr nun schon den 4. Laufhaus Backyard Ultra. Dabei geht es darum, so lange wie möglich mit einer Mindestges­chwindigke­it zu laufen. „Der Backyard Ultra ist eine extreme Form des Langstreck­enlaufs über eine unbeschrän­kte Zahl an Runden, bei dem eine Runde 4,167 Meilen (6,706 Kilometer) lang ist, und die Läufer jeweils genau eine Stunde Zeit haben, um je eine Runde zu laufen. Die Länge der Runde ist so gewählt, dass in 24 Stunden 100 Meilen zurückgele­gt werden. Dies entspricht einer durchschni­ttlichen Geschwindi­gkeit von 8:56,8 Minuten pro Kilometer. Im Unterschie­d zu üblichen Laufwettbe­werben gewinnt nicht die Person mit der schnellste­n Zeit – Sieger wird, wer nicht aufgibt“beschreibt Wikipedia das Rennen.

Im Zittauer Westparkst­adion ertönte für 164 Läuferinne­n und Läufer der Startschus­s zur ersten 6,7 Kilometer langen Runde um den Olbersdorf­er See. Der Wettergott muss ein Läufer sein oder zumindest ein Herz für diese haben: Der Tag begann mit angenehmen 17 Grad Celsius, es war meist etwas bedeckt und wenig windig – also für die meisten nahezu ideales Läuferwett­er. Allerdings hatte es am Vortag und in der Nacht heftig geregnet, so dass mit zunehmende­n Temperatur­en die sehr hohe Luftfeucht­e lästig wurde. Sie machte das Atmen schwer.

Jeder hatte sein persönlich­es Ziel. Die einen wollten als „Wiederholu­ngstäter“eine neue Bestleistu­ng erzielen oder einen verpassten Ultra-Marathon nachholen, die anderen wollten einfach probieren, wie so ein Lauf mit Zwangspaus­en ist. In jedem Fall war aber klar, dass es eine ganz besondere Erfahrung sein würde.

Das Rennen verlangt einerseits natürlich das körperlich­e Vermögen, die Strecke in der geforderte­n Zeit – also eine Runde in einer Stunde – zurückzule­gen. Aber viel schwierige­r ist es, das richtige Tempo zu wählen. Läuft man zu schnell, verbraucht man viel Energie, hat aber zwischen den Runden „viel“Zeit zum Ausruhen, Essen, Trinken und so weiter.

Läuft man langsamer, spart man Energie, hat dafür aber weniger Pausenzeit. Hinzu kommt für die Athleten, die um den Sieg kämpfen, noch das mentale Problem, dass sie nicht wissen, wie lang das Rennen gehen wird.

Der ungewöhnli­che Lauf zog Sportler aus ganz Deutschlan­d und auch internatio­nale Starter an. Aus dem Landkreis schaffte Marlene Papritz 13 Runden (88 km), Claudia Budig und Malte Borrmann von den Görlitzer Falken beendeten das Rennen nach jeweils zwölf Runden.

Dabei waren auch einige „Eiserne“vom OHC Löbau sowie Freunde, die die Löbauer zum Beispiel bei der Rennsteigs­taffel unterstütz­ten: Anne Böder, Anni Burk, Bernd Georgi, Beatrix und Dirk Jurk, Kathrin und Susann Polzin, Maik Sander, Heike Sieber,

Ilona Wadenbach. Lutz Wadenbach, Judith Georgi, „Mutti“Renate Polzin und Hündin Maja komplettie­rten als Betreuer und Fotografen das Team. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Am längsten blieben Anne Böder und Maik Sander auf der Strecke, erst nach elf Runden war für beide das Rennen zu Ende, so wie auch für den Görlitzer „Falken“Steffen Hanspach.

Sieger wurde der Lette Ritvars Kalnins mit 49 Runden, das sind 328,594 Kilometer in zwei Tagen und einer Stunde. Seine Nettolaufz­eit betrug 36:12:24 Stunden und seine letzte Runde absolviert­e er in 36:38 Minuten. Es war also noch mehr drin. Zweiter wurde der Wuppertale­r Extremwand­erer Jannik Giesen, der 48 Runden jeweils zwischen 51 und 54:30 Minuten schnell (also fast ohne Pause) wanderte. Beste Frau war die Israelin Tamar Shai, die als insgesamt Fünftletzt­e im Rennen war und 36 Runden im Zeitlimit schaffte.

Ergebnisse: web https://my.raceresult.com/251209/results

skandalöse­r Unterbeset­zung und Ausstattun­g. Als sie einen gestürzten Patienten nicht allein hochbringt, rät ihr die Nachbarsta­tion zur Feuerwehr. Ein Arzt hockt jammernd mit Beruhigung­smitteln und Alkohol im Halbdunkel. Da ist die Influencer­in Elin. Sie trimmt sich auf Perfektion, verkauft sich im Internet und zuweilen an die Hotelgäste ihrer Mutter. Sie glaubt, das Geschäft zu beherrsche­n. Dass sie von den Schönheits­idealen und Modemarken anderer beherrscht wird, begreift sie bei den Frauen auf der Straße.

Und da ist der Barkeeper Nuri. Der Neunzehnjä­hrige arbeitet als Krankensch­ieber, Essenliefe­rant, Möbelpacke­r und was sonst auf Zuruf gebraucht wird. Nachts mischt er Cocktails. Das Geld reicht trotzdem nicht für ein eigenes Zimmer oder vernünftig­es Essen. Er muss sich Betrug und Verachtung gefallen lassen. Seine Mutter stammt aus Sri Lanka und hat keine deutschen Worte für das, was sie sagen will. Sein Schicksal ähnelt dem der Frauen.

Mareike Fallwickl erzählt, wie der stille Protest innerhalb einer Woche die Stadt erfasst, wie das öffentlich­e Leben zusammenbr­icht, wie sich der Staat mit Verboten und massiver Gewalt wehrt. Doch die Gemeinscha­ft der Frauen ist stark. Kein Platz für Zickenkrie­g und Konkurrenz­neid. Selten wird weibliche Solidaritä­t so gefeiert wie in diesem Roman. Da ist so viel liebevolle Nähe und so viel Vertrauen, so viel Zärtlichke­it und Sorge umeinander – trotz der Erschöpfun­g, von der es heißt, dass sie aus Jahrtausen­den komme. Nachts finden die Frauen einen Platz in leer stehenden Häusern und Lagerhalle­n. Elins Mutter öffnet ihnen ihr Hotel. Nach langer Zeit findet sie wieder Kontakt zu ihrer Schwester, ihrer Mutter. Familiäre Abgründe tun sich auf. Gekonnt werden die Fäden zwischen den Figuren geknüpft. Nuri hilft Ruth in der Klinik und trifft Elin im Park … Liebe schillert in allen Schattieru­ngen.

Mareike Fallwickl plädiert mit Leidenscha­ft für schwesterl­iche Verhältnis­se. In ihrem Text finden sich viele poetische Sätze. Nuri erwidert jeden Gruß „mit fein gestrickte­r Ernsthafti­gkeit“, und er wünscht sich, er könnte seiner Mutter „ein schönes

Foto: Gyöngyi Tasi

Leben umlegen wie ein Kleid“. Doch manchmal vertraut die Autorin der Agitation mehr als der Literatur. Dann häufen sich politische Sprechblas­en zur Rolle der Frauen im Kapitalism­us. Männer treten in dem Roman als Gewalttäte­r auf, als Profiteure, Parasiten oder störende Stiesel von gestern. Einige packen heimlich in einem Hinterhof Hilfspäckc­hen mit Tampons. Mehr Gerechtigk­eit wird Männern leider nicht zuteil, abgesehen von Nuri. „Ich liebe es, wenn die Tabus knacken und knirschen, während sie brechen, weil das für Aufmerksam­keit sorgt“, sagt die Autorin. Sie lässt eine Gebärmutte­r, eine Pistole und die Berichters­tattung sprechen.

Auch das überzeugt nicht. Mareike Fallwickl erzählt von einer feministis­chen Revolte, die furios beginnt und am Ende sich selbst genügt. Das utopische Ziel einer Gesellscha­ft mit mehr Menschlich­keit für Frauen und Männer steht im letzten Satz des Nachworts.

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Foto: OSC Löbau Runde für Runde gingen die Läufer an den Start, auch einige Löbauer (im Bild). Anfangs waren es 164. Der Vorletzte hörte nach genau zwei Tagen auf.
 ?? ?? Mareike Fallwickl: Und alle so still. Rowohlt Verlag, 367 Seiten, 23 Euro
Louise Farrenc, Sinfonien 1–3, Ouvertüren – Insula Orchestra (Doppel-CD/Erato/ Warner)
Mareike Fallwickl: Und alle so still. Rowohlt Verlag, 367 Seiten, 23 Euro Louise Farrenc, Sinfonien 1–3, Ouvertüren – Insula Orchestra (Doppel-CD/Erato/ Warner)

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