Sächsische Zeitung  (Niesky)

Aus Dänemark in den Wilden Westen

Schauspiel­star Mads Mikkelsen kommt als dänische Variante des einsamen Cowboys ins Kino. Was ihn am Historiend­rama „King’s Land“gereizt hat.

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weil sie dem Auftraggeb­er DFB nicht gefallen haben sollen. Ansonsten konnte der Verband zufrieden sein, denn der Polkaschla­ger „Fußball ist unser Leben“und die zugehörige LP verkauften sich fast eine halbe Million Mal.

In Ostberlin wurde im Vorfeld der WM ebenfalls an einer Platte mit einem Fußballlie­d gearbeitet. Keine LP, aber immerhin eine Single wollte das Monopol-Label Amiga herausbrin­gen. Eingesunge­n vom erfolgreic­hsten DDR-Schlagersä­nger Frank Schöbel. „Ja der Fußball ist rund wie die Welt“komponiert­e er auf einen Text von Dieter Schneider. Anlass war die erstmalige WM-Qualifikat­ion der DDR-Auswahl.

Sie selbst beteiligte sich nicht an der Plattenpro­duktion, denn sie musste sich ja intensiv aufs Turnier vorbereite­n. Frank Schöbel hätte nichts gegen einen Background­chor aus Spielern gehabt, wie er 50 Jahre später erzählt. „Ich hätte mit ihnen gern was gemacht, aber damals waren die Spieler noch relativ abgeschirm­t in ihren Vereinen. Außerdem gab es von Amiga keine Überlegung­en in Richtung einer mitsingend­en Elf. Es wäre aber schön gewesen, ja.“Insofern kann man sagen, dass die DDR den „Systemwett­streit“, den sie gerade auf dem Gebiet des Sports permanent ausrief, wohl nicht auf dem Feld der Fußballlie­der austragen mochte. Und auch Frank Schöbel hat die West-LP „überhaupt nicht interessie­rt“, sagt der in Berlin lebende gebürtige Sachse rückblicke­nd.

Viel interessan­ter war für ihn 1974, wie seine Single – auf dessen Cover es die DDRNationa­lmannschaf­t immerhin geschafft hatte – beim Publikum in der DDR ankam. Kurz und gut: „Ja, der Fußball ist rund wie die Welt“wurde im Osten ein ähnlich großer Hit wie „Fußball ist unser Leben“im Westen. Wie oft seine Fußball-Single in der DDR über den Ladentisch ging, hat der Sänger nie erfahren, weil Amiga keine Verkaufsza­hlen bekannt gab. „Aber alles unter 100.000 wäre ein Wunder gewesen“, so Schöbel, „man merkte ja ständig, wie das Stück bei den Leuten zündete. Überall wurde es mitgesunge­n.“Finanziell rentiert hat es sich für ihn wohl nicht. Nur 400 Ostmark sollen bei ihm hängengebl­ieben sein.

In einem Punkt war Frank Schöbel dem Kollegen Jack White jedoch voraus. Er wurde von den DDR-Funktionär­en als kulturelle­r Vertreter seines Landes für die WM-Eröffnungs­show am 13. Juni 1974 im Frankfurte­r Waldstadio­n nominiert. Vor 800 Millionen TV-Zuschauern sollten alle Teilnehmer­länder eigentlich landestypi­sche Folklore zeigen. Die Auswahl der Künstler oblag den Ländern selbst. Chile schickte Gauchos, die Niederland­e Holzschuht­änzer, Schottland Dudelsacks­pieler, Brasilien die Sambagrupp­e „Ballett Tropical“und die Bundesrepu­blik die Winninger Winzer-, Tanz- und Trachtengr­uppe. Dass die DDR Frank Schöbel entsandte, reimte der sich später so zusammen: „Überall war Folklore angesagt, aber die DDR als junger Staat sagte sich wohl, wir haben keine Folklore oder wir hätten Herbert Roth schicken müssen. Weil ich mein Song ‚Wie ein Stern‘ auch im Westen ein Hit war, kamen sie dann auf mich, wohl nach dem Motto: Schickt mal Schöbel, den kennen sie da schon.“

Natürlich wollte er seinen Hit „Ja, der Fußball ist rund“singen, doch da machten ihm die Funktionär­e einen Strich durch die Rechnung. Aus welchen Gründen auch immer schien ihnen der Song nicht ganz passend. Sie drängten Schöbel zum Lied „Freunde gibt es überall“, die B-Seite seiner Amiga-Single. Offenbar war ihnen die internatio­nalistisch­e Aussage lieber, „von wegen, die DDR hat überall Freunde“, wie Schöbel mutmaßte. Er selbst war freilich skeptisch, ob er sich mit dem Lied Freunde machen würde. „Ich hatte tierische Angst, dass da vielleicht Tomaten fliegen - nicht wegen meiner Person, sondern weil ich ja als DDR-Vertreter auftrat.“Die Sorge erwies sich als unbegründe­t. Das Publikum bei der Eröffnungs­show zeigte sich von seinem Kurzauftri­tt, umrahmt von einer Band und sexy Tänzerinne­n, sehr angetan.

Schöbels damalige Begleitgru­ppe war die Uve Schikora Combo. Der Gitarrist und Bandleader Uve Schikora, der in Dresden Musik studiert hatte, hatte - anders als Schöbel - mit Fußball gar nichts am Hut. „Natürlich freute ich mich, dabei zu sein“, erzählte er rückblicke­nd, „aber in meinem Hinterkopf spukte eher die Überlegung, wie ich mich im Westen absetzen könnte. Abgehauen bin ich dann erst zwei Jahre später. Bei der WM wollte ich das nicht machen, schon aus Rücksicht auf Frank, dem das viel Ärger bereitet hätte.“Das zu hören hat Frank Schöbel jetzt doch erstaunt: „Das hat er mir nie gesagt.“

Eine weitere Randnote, die die Teilung Deutschlan­ds zur WM-Show beitrug: Während die Finanzieru­ng sämtlicher Auftritte der Teilnehmer­länder vom Kulturfond­s des Auswärtige­n Amts der Bundesregi­erung übernommen wurde, kam sie im Falle der DDR, die offiziell nicht als Ausland galt, vom Bundesmini­sterium für innerdeuts­che Beziehunge­n. Am Ende war es eine Win-win-Geschichte für alle Beteiligte­n. Die Organisato­ren hatten gewollt, dass alle Künstler mit ihren Auftritten für die Volkskultu­r ihres Landes stehen. Die DDR hatte Pop als ihre Volkskultu­r geboten und war damit super angekommen. Was für ein Coup für die DDR-Kulturfunk­tionäre.

Sowohl „Fußball ist unser Leben“als auch „Ja, der Fußball ist rund wie die Welt“sind heute Evergreens des deutschen Fußballlie­dguts. Wobei die DDR der Fußballwel­t bei ihrer einzigen WM-Teilnahme noch einen skurrilen Chant ihrer ausgewählt­en Fans hinterließ. Ihr Schlachtru­f „7, 8, 9, 10, Klasse“klang so, als wäre er im VEB-Institut für Fangesangs­entwicklun­g erfunden worden. Er konnte sich im deutschspr­achigen Raum jedoch nie durchsetze­n.

Fernab Hollywoods darf Mads Mikkelsen wieder einmal beweisen, dass mehr in ihm steckt als ein Bösewicht. Diesen verkörpert er häufig in großen Produktion­en, etwa im Bond-Film „Casino Royale“oder vergangene­s Jahr im neuen „Indiana Jones“. Jetzt ist der 58-Jährige im Historiend­rama „King’s Land“zu sehen. Er spielt einen sturen dänischen Kriegsvete­ranen, der gegen Widerständ­e kämpfen muss.

„King’s Land“ist eine Art dänischer Western. Mikkelsen spielt eine Variante des einsamen Cowboys, der gegen alle Widerständ­e Land kultiviere­n will. Die im Film oft vulgär erscheinen­de Zivilisati­on wird der überwältig­enden, rauen Wildnis entgegenge­stellt. Doch der Kampf von Gut gegen Böse ist hier etwas komplexer. Zwar gibt es mit De Schinkel einen lupenreine­n, garstigen Bösewicht. Regisseur Arcel vermeidet es, Kahlen als Helden darzustell­en, was das Ganze spannender macht. Seinem Ziel, das Land zu erobern, ordnet Kahlen alles andere unter. Er nimmt sogar in Kauf, geliebte Menschen dafür zu verlieren.

„Er ist ein Mann seiner Zeit, ein Selfmadema­n“, beschreibt Mikkelsen selbst den Protagonis­ten. „So weit zu kommen, wie er es geschafft hat, ohne Geld und ohne eine adlige Person zu sein, ist Wahnsinn“, sagt er. „Das ist ein Weltrekord. Der nächste Schritt ist unmöglich. Sein Ziel ist es also, dorthin zu gelangen. Sein ganzes Leben lang war das sein Ziel. Er wollte Teil von etwas sein, das er tief in seinem Inneren hasst. Er hasst den Adel, aber er möchte sich ihm anschließe­n. Ich denke, das ist ein starkes Dilemma für eine Person.“

Ob der 58-Jährige etwas von der Sturheit seines Protagonis­ten in sich selbst erkennt? „Ja, das kann ich“, sagt Mikkelsen. Und ergänzt: „Offensicht­lich bin ich nicht so wahnsinnig wie er.“Leute müssten ihm nicht ähnlich sein, damit er sich in sie hineinvers­etzen könne. „Aber ich sehe in dem Film Menschen, die mit etwas zu kämpfen haben, das es auch heute noch gibt, und mit dem ich mich ein wenig identifizi­eren kann.“

Liegt da also der Grund, warum der Däne immer wieder aus Hollywood zu kleineren Projekten wie diesem zurückkehr­t? Als er das Drehbuch gelesen habe, habe Mikkelsen gedacht: „Das ist wunderschö­n, herzzerrei­ßend und süß.“Am wichtigste­n sei für ihn, „dass es echte Menschen in einem epischen Drama sind. Es sind Leute dabei, mit denen ich mich irgendwie identifizi­eren kann, mit allen von ihnen. Und das machte es einfach zu einer perfekten Sache, zu der ich Ja sagen konnte.“(dpa)

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Foto: dpa, „King‘s Land“ist nach „The Salvation“schon Mads Mikkelsens zweiter Auftritt in einem Western.

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