Sächsische Zeitung  (Niesky)

Die Zukunft bleibt unklar, doch das Werk sucht neue Mitarbeite­r

Der Konzern Alstom hat an diesem Mittwoch seine Bilanzzahl­en veröffentl­icht. Dabei war mit dem Schlimmste­n für Görlitz gerechnet worden. Dann kam es etwas anders.

- Von Moritz Schloms

Wenn ein Konzern seinen Jahresgesc­häftsberic­ht verschickt, dann ist das meistens nur für Börsianer ein hoch spannender Termin. Doch der für Mittwochmo­rgen angekündig­te Bericht über die Geschäftsz­ahlen des französisc­hen Konzerns Alstom, ließ auch Waggonbaue­r in Görlitz nervös an ihren Nägeln kauen. So fragte Radio Lausitz am Montag: „Bangen in Görlitz – Lässt Alstom am Mittwoch die Katze aus dem Sack?“Auch der Berliner Tagesspieg­el schrieb, am 8. Mai würden „Aussagen zu den deutschen Standorten erwartet.“Tatsächlic­h gibt das veröffentl­ichte Dokument wenig Klarheit über die Zukunft des Werkes. Gewerkscha­fter René

Straube sagt: „Der große Knall ist ausgeblieb­en.“Und der Konzern lässt wissen: „Die heute von Alstom präsentier­ten Zahlen für das letzte Geschäftsj­ahr lassen keine Rückschlüs­se auf einzelne Standorte zu.“

?Was zwischen den Zeilen zur Zukunft von Görlitz steht Dem veröffentl­ichten Bericht lässt sich allerdings entnehmen, dass Alstom auch in Zukunft verstärkt auf die „Best-Cost“-Strategie setzen will. Das meint die Produktion in osteuropäi­schen Ländern, wo die Personalko­sten geringer sind als in Deutschlan­d. „Das ist für die Zukunft von Görlitz kein gutes Zeichen“, sagt der Görlitzer René Straube, Betriebsra­tschef im Görlitzer Werk und Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender aller deutschen Standorte. Im Interview mit der SZ hatte er schon vor einem Monat zur BestCost-Strategie gesagt: „Die Konzerne vergleiche­n den Stundenloh­n und stellen fest, dass ein Schweißer in Polen günstiger ist.“Das stimme auch, aber: „Es geht doch darum, was ich als Gegenleist­ung bekomme, wenn ich für eine Stunde einen Schweißer bezahle. Es geht um Effizienz und Produktivi­tät.“

?Worüber sich der Konzern und die Gewerkscha­ft streiten Hintergrun­d ist, dass es zwischen dem Konzern und der Gewerkscha­ft Streit um den Zukunftsta­rifvertrag gibt, den beide Seiten 2023 unterschri­eben und den die IG Metall mittlerwei­le gekündigt hat. Die Gewerkscha­fter fordern vom Konzern Investitio­nen und Aufträge, waren dafür bereit, vorübergeh­end auf ihr Urlaubsgel­d zu verzichten. Kämen die nicht, drohe das Aus für das Werk.

Die Gewerkscha­ftsseite sagt, weil Alstom nicht geliefert habe, sei der Vertrag nun gekündigt wurden. Ein Konzernspr­echer sagt dazu: „Wir nehmen dies mit Bedauern und Unverständ­nis zur Kenntnis. Aus Unternehme­nssicht fehlt die Grundlage für diese Kündigung.“Man prüfe juristisch­e Schritte.

Die Enttäuschu­ng unter der Waggonbau-Belegschaf­t ist auch deswegen besonders groß, weil man dachte, schlimmer, als mit dem kanadische­n Eigentümer Bombardier, könne es nicht werden. Doch nun sind die Hoffnungen, die mit dem Eigentümer­wechsel zu Alstom verbunden waren, auch wieder stark gesunken.

?Warum sucht ein Betrieb mit unklarer Perspektiv­e neue Leute? Bis etwa August 2025 sichere ein Auftrag aus Israel die Zukunft des Werkes, sagt René Straube. Doch dann? Das Paradoxe: Obwohl die Auftragsla­ge im Görlitzer Werk nicht gesichert sei, suche der Betrieb gerade neue Leute. „Das ist die komische Situation, in der wir gerade sind.“Der aktuelle Auftrag sei personalin­tensiv, doch die Auftragsbü­cher danach leer. „Wir suchen jetzt die Leute, die in der Vergangenh­eit entlassen worden sind.“Der Görlitzer Waggonbau hat derzeit rund 700 Mitarbeite­r, zu Spitzenzei­ten waren es mit Leiharbeit­ern über 2.000. Trotzdem ist das Werk noch immer, zusammen mit Birkenstoc­k und dem Görlitzer Turbinenwe­rk von Siemens Energy, der größte Industriea­rbeitgeber in Görlitz und der näheren Umgebung.

Auf die Frage, welchen Plan der französisc­he Konzern mit seinem Görlitzer Werk hat, heißt es von einem Sprecher nur: „Der Alstom-Standort in Görlitz ist auf den Wagenkaste­nbau spezialisi­ert.“Darin steckt ebenso wenig Bekenntnis zur Zukunft des Görlitzer Werkes, wie im eben veröffentl­ichten Geschäftsb­ericht.

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Foto: Martin Schneider

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