Es wird wieder geredet
Am Mittwoch haben sich US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping erstmals seit einem Jahr persönlich getroffen. Experten analysieren die Ergebnisse.
Wer hätte gedacht, dass solche Bilder entstehen. Beim Treffen von US-Präsident Joe Biden und Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping am Mittwoch in der Nähe von San Francisco spazierten die beiden gemeinsam durch eine eindrucksvolle Parklandschaft. Fast freundschaftlich wirkte das, zumindest konstruktiv.
Geradezu symbolträchtig auch der Ort: Biden empfing Xi auf dem historischen Anwesen „Filoli“– ein Akronym aus dem Lebensmotto des früheren Besitzers. Das lautete „Fight for a just cause, love your fellow man, live a good life“(deutsch: „Kämpfe für eine gerechte Sache, liebe deinen Nächsten, lebe ein gutes Leben“) und dürfte den beiden Staatsmännern möglicherweise an den Sinn ihres Gesprächs erinnert haben. Immerhin ist es erst das zweite Treffen der beiden innerhalb von drei Jahren gewesen – und war Beobachtern zufolge somit längst überfällig angesichts der massiven
Spannungen der beiden Regierungen. Zuletzt hatten sich Biden und Xi am Rande des G20-Gipfels auf Bali im November 2022 getroffen. „Nach einem Jahr Funkstille ist es gut und wichtig, dass sie endlich wieder miteinander persönlich gesprochen haben“, sagt Angela Stanzel, China-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP).
Biden zufolge vereinbarten die beiden, füreinander leichter telefonisch erreichbar zu sein. Zugleich machte der US-Präsident im Gespräch mit Journalisten deutlich, dass er Xi weiterhin als „Diktator“betrachte. Diese Bezeichnung wies das chinesische Außenamt zurück, wie üblich.
Ansonsten fielen die Äußerungen zum Treffen aber wohlwollend aus. Außenminister Wang Yi bezeichnete es als „sehr gut, umfassend und intensiv“. Auch in den chinesischen Staatsmedien wurde positiv über das Gespräch berichtet – ein Zeichen, dass Peking zurzeit offenbar an einer Annäherung interessiert zu sein scheint.
Kommunikation der Streitkräfte
Einer der Erfolge ist die Wiederaufnahme der Kommunikation zwischen den Streitkräften. Der Schritt sei von „entscheidender Bedeutung“, sagte Biden. Ohne Austausch könne es zu Unfällen und Missverständnissen kommen. Geplant sei nun unter anderem, dass US-Verteidigungsminister
Lloyd Austin seinen chinesischen Kollegen treffen werde, hieß es. Der Posten ist allerdings seit dem Rauswurf von Verteidigungsminister Li Shangfu unbesetzt.
Dieser war – wohl aufgrund von Korruptionsermittlungen – im Oktober aus dem Amt entlassen worden. Auch dem Verhältnis zu den USA dürfte der Personalwechsel zugutekommen: Als früherer Direktor der Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission steht er seit 2018 wegen Waffengeschäften auf einer US-Sanktionsliste.
Die Volksrepublik hatte die Kommunikation zwischen den Militärs beider Länder gekappt, als Reaktion auf die Reise der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nach Taiwan im August 2022. Washington hatte im vergangenen Jahr immer wieder um die Wiederaufnahme der Gesprächskanäle gebeten – doch Peking blieb stur. Bis jetzt.
„Wir wissen aus Erfahrung, dass China die Zusagen jederzeit wieder zurücknehmen kann, wenn die USA ihnen einen Grund geben oder das, was die chinesische Führung als Grund interpretieren würde“, erklärt Stanzel. Eine handelspolitische Entscheidung der USA oder ein Schiff im Südchinesischen Meer könnten demnach schlimmstenfalls ausreichen, den Dialog wieder zu stoppen – und dann den Amerikanern die Schuld dafür zu geben.
Hinsichtlich der Insel-Demokratie Taiwan, dessen Territorium die Volksrepublik China für sich beansprucht, hält Biden an der bisherigen Position fest: Demnach lehnen die Vereinigten Staaten jede einseitige Änderung des Status quo durch eine der beiden Seiten ab und erwarten, dass die Differenzen mit friedlichen Mitteln gelöst würden. Zudem rief er China zur Zurückhaltung bei ihren militärischen Aktivitäten in und um die Straße von Taiwan auf. Xi hingegen bezeichnete das Thema Taiwan als größten und potenziell gefährlichsten Konflikt in den Beziehungen zwischen den USA und China, berichteten Journalisten unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter.
Auch im Kampf gegen die Einfuhr der tödlichen Droge Fentanyl in die USA sicherte sich Biden mehr Unterstützung aus China. Die US-Regierung wirft China vor, eine entscheidende Rolle in der Drogen-Epidemie Amerikas zu spielen. Biden und Xi vereinbarten Maßnahmen gegen die Ausfuhr von Bestandteilen für die Produktion des Opioids aus chinesischen Fabriken.
Janka Oertel, China-Expertin beim European Council on Foreign Relations, warnt trotzdem vor zu viel Euphorie. „Der Gipfel hat ein wichtiges Signal gesendet: Es wird wieder geredet. Das ist ein Anfang – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.“