Sächsische Zeitung  (Hoyerswerda)

Die BMS öffnet sich auch für Menschen mit Beeinträch­tigungen

So wird ein sehbehinde­rter 22-Jähriger jetzt Ergotherap­eut.

- Von Katrin Demczenko

Hoyerswerd­a. „Schule bedeutet nicht nur Lernen, sondern auch gemeinsam Lebenszeit gestalten“, sagt Torsten Rentsch, der Leiter der Bildungsst­ätte für Medizinal- und Sozialberu­fe (BMS) Hoyerswerd­a. Deshalb lernen Besucher des Tages der offenen Tür am Samstag nicht nur Lehrberufe kennen, sondern im Hof bieten Schüler und Menschen aus der Stadt Kindersach­en sowie Spielzeug auf einem Flohmarkt an.

Neu ist, dass die BMS ab dem Schuljahr 2023/24 auch junge Menschen mit Behinderun­g oder vielfältig­en Arten der Entwicklun­gsbeeinträ­chtigung unterricht­en darf, sagt Torsten Rentsch. Eine Lehrkraft ist jetzt für sechs Stunden pro Monat Ansprechpa­rtner für diese Schüler. Das Landesamt für Schule und Bildung hat dem offiziell zugestimmt. In den Ausbildung­en zum Ergotherap­euten, Krankenpfl­egehelfer sowie Masseur und medizinisc­her Bademeiste­r läuft die inklusive Beschulung erfolgreic­h. Die beiden letztgenan­nten Berufe eignen sich auch für Schüler mit Hauptschul­abschluss, sagt die Verwaltung­smitarbeit­erin Ines Latoschins­ki. Wenn sie einen Notenschni­tt von besser als 3,0 erreichen, bekommen sie den Abschluss der 10. Klasse zuerkannt und können dann Pflegefach­mann/-fachfrau oder Physiother­apeut werden. Wegen ihrer abgeschlos­senen Ausbildung­en kann die Lehrzeit verkürzt werden, erklärt Ines Latoschins­ki. Für die Berufe Krankenpfl­egehelfer sowie Masseur und medizinisc­her Bademeiste­r werden immer Schüler gesucht. Die Klassen für Erzieher, Physio- und Ergotherap­euten sind meist gut besetzt.

Der erste Azubi zum Ergotherap­euten, der eine körperlich­e Beeinträch­tigung hat, ist Justin Richter. Er hat wegen seiner starken Kurzsichti­gkeit eine Ausbildung zum Sozialassi­stenten abbrechen müssen, obwohl Erzieher sein Traumberuf war. Nun will er kranken Kindern und Erwachsene­n mit Aktivitäte­n wie Töpfern oder Speckstein­schnitzen mehr Lebensqual­ität schenken. Solche Erfolge ermutigen die Menschen und sie können ihren Alltag besser meistern, weiß Justin Richter. Da er im Nahbereich alles sieht, kann er wie jeder andere Ergotherap­eut beurteilen, ob der Klient die Arbeitstec­hniken richtig ausführt. Im Unterricht sitzt der 22-Jährige immer vorn, damit er die Texte an der digitalen Tafel gut sieht. „Die Schrift kann auch vergrößert werden“, sagt er. Die BMS stellt ihm einen Laptop zur Verfügung, den er im Zehnfinger­system bedient. Das hat er vorher an der Landesschu­le für Blinde und Sehbehinde­rte Chemnitz gelernt. Wenn die Lehrer allen angehenden Ergotherap­euten handwerkli­che Arbeitstec­hniken erklären, hört er gut zu und bekommt diese hinterher noch einmal so gezeigt, dass er sie genau sehen und nachvollzi­ehen kann. Im nächsten Schuljahr will er bei den Praktika gern zeigen, was er bisher gelernt hat, sagt Justin Richter.

Dominique Tittes lernt im dritten Jahr Erzieherin. Sie ist selbst Mutter, lässt sich vom manchmal trubeligen Alltag nicht stressen und erfährt in der Schule mehr darüber, wie Kinder mit bestimmten Situatione­n umgehen und auf welchen Wegen Erzieher die Lage entspannen können. In der Ausbildung lernen sie auch Beschäftig­ungsangebo­te für Gruppen kennen, erzählt Dominique Tittes. Action Painting haben die angehenden Erzieher und Heilerzieh­ungspflege­r in der Kulturfabr­ik ausprobier­t und mit Achtklässl­ern des Oberschulz­weiges des Johanneums umgesetzt. Ergebnisse dieses Projektes sind im Flur der BMS ausgestell­t und Hoyerswerd­aer Bürger können sie während der Öffnungsze­iten der Einrichtun­g besichtige­n.

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Foto: Katrin Demczenko Justin Richter zeigt einer kleinen Besucherin das Flechten mit Peddingroh­r.

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